Voller Widersprüche: Windhunde sind schnelle Couchpotatoes
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Windhunde sind sehr vielseitig: Im Haus sind die Tiere ruhig und verschmust. Draußen geben sie Gas und vergessen auch mal ihr Herrchen. Was immer gilt: Sie verschlingen riesige Mengen an Futter und haben eine Schwäche für gemütliche Sitzecken.
Zu ihnen gehören die Größten und die Schnellsten: Windhunde sind Tiere der Superlative. Da sind die Irischen Wolfshunde mit einer Schulterhöhe von etwa einem Meter - größer als sie ist kein anderer Hund. Und die Englischen Greyhounds können über 70 Stundenkilometer schnell laufen, da kommt kaum einer hinterher. „Nach dem Gepard ist er das zweitschnellste Säugetier auf Land“, erklärt Olaf Knauber vom Deutschen Windhundzucht- und Rennverband im niedersächsischen Söhlde. Er ist selbst Züchter und kennt sogar noch einen dritten Superlativ: „Sie sind auch die faulsten Hunde.“
Diese Ferraris unter den Hunden sind laut Knauber weniger hektisch, als angenommen. Im Gegenteil: Die schlanken Tiere mit den majestätischen Bewegungen seien ungewöhnlich ruhige, feinfühlige und unaufdringliche Hausgenossen, die sich den Gegebenheiten anpassten. Daher eignen sie sich gut für Familien, kinderlieb sind sie obendrein. Sie können problemlos mit auf die Arbeit und in den Urlaub genommen werden, längere Autofahrten können sie gut ab.
Auch Dorothee Dahl, die ein Buch zu Windhunden geschrieben hat, bezeichnet die Tiere als „sanfte Seelen“. Sie bräuchten keine scharfen Kommandos, sondern freundliche Worte. Dahl warnt sogar davor, einen Windhund jemals anzuschreien: „Er wird garantiert beleidigt sein.“ Und sie kennt noch eine Besonderheit dieser sehr eigenen Tiere: Sie liegen sehr ungern auf dem Boden und erobern deshalb meist das Sofa im Haus.
So ruhig sie im Haus sind, zeigen Windhunde draußen das andere Extrem. Dort drehen sie auf, toben und rennen so schnell, dass sie ihrem Namen alle Ehre machen. „Windhunde sind extrem bewegungsfreudig“, sagt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn. „Jeder, der sich einen Windhund anschafft, muss sich darüber im Klaren sein, dass er viel Zeit für eine artgerechte Haltung braucht.“
Mindestens 1,5 Stunden an täglichem Auslauf sollten Besitzer einplanen. In der Innenstadt wird ein Windhund nicht glücklich, da er dort seinen Bewegungsdrang nicht ausleben kann. Außerdem sollten wegen seines rasanten Tempos besser keine Straßen in der Nähe sein, wenn er frei läuft. Für sportliche Besitzer ist er dagegen wie gemacht: Liebend gern stellt sich der Windhund als flotter Partner für Wanderungen, Joggingrunden, Rad- und Reittouren zur Verfügung.
Allerdings sollte der Mensch in Feld und Wald wachsam sein, denn Windhunde jagen sehr gerne — schließlich wurden sie dazu ursprünglich gezüchtet. Und sie sehen auf weite Distanz Bewegungen, die ihr Besitzer gar nicht wahrnimmt. Dann entscheiden sie sich Dahl zufolge schon mal für den Hasen und nicht für ihr Herrchen.
Wer möchte, kann seinem Tier beim Sport zusehen - beim Windhunderennen. Dabei jagen die Hunde einem unechten Hasen auf einer Strecke bis zu 1200 Metern hinterher. „Das ist ein Riesenspaß für die Hunde“, sagt Dahl. Während etwa in Großbritannien solche Rennen sehr populär sind, werden sie hierzulande eher im kleinen Rahmen als Amateurveranstaltungen angeboten.
Der Tierschutzbund lehnt solche Rennen nicht grundsätzlich ab. „Generell entspricht das schnelle Laufen durchaus dem rassetypischen Bewegungsbedürfnis der Windhunde“, sagt Tünte. Natürlich dürften die Tiere nicht überfordert werden, außerdem müssen sie artgerecht gehalten und trainiert werden. In Deutschland werden unter anderem Greyhounds, Afghanen und Whippets bei diesen Rennen eingesetzt.
Letzterer zählt hierzulande zu den beliebtesten Windhunden. Er wird 50 Zentimeter groß, hat ein glattes Fell und entstand vermutlich aus Kreuzungen von Greyhounds mit Terriern. Der elegante, drahtige Muskelprotz gilt als zäh, temperamentvoll und verschmust. „Beliebt sind hierzulande auch der Afghanische Windhund und der Irische Wolfshund“, sagt Knauber. Der Afghane sieht schon allein wegen seines lang wallenden Haarkleids sehr imposant aus. Der Irische Wolfshund als Riese unter den Hunden kann sogar Ponygröße erreichen, ein erwachsener Rüde wiegt bis zu 60 Kilogramm. Mit diesem kraftvollen Tier wurden früher Wölfe gejagt.
Der Wolfshund kann jedoch sehr teuer werden, er frisst nämlich wie alle Windhunde immense Mengen. Sie haben einen aktiven Stoffwechsel, brauchen also viele Kalorien.
Wer einen Windhund beim Züchter kaufen möchte, muss tief in die Tasche greifen. Ein Welpe kostet meist zwischen 900 und 1600 Euro. Deutlich günstiger werden Hunde im Tierheim angeboten, sie stammen oft aus südlichen Ländern. Ihr Nachteil gegenüber Hunden vom Züchter: Der Besitzer weiß nicht, was sein neuer Hausbewohner schon erlebt hat und ob er vielleicht krank ist. Andererseits hat ein erwachsener Hund bereits die anstrengende Welpenzeit hinter sich.