Volkshochschule hilft Bahnkunden
Die Ticket-Automaten überfordern viele Reisende. In Dortmund lässt sich der Fahrkarten-Kauf jetzt in VHS-Kursen erlernen.
Düsseldorf. Der Andrang ist groß - doch im Reisezentrum der Deutschen Bahn am Düsseldorfer Hauptbahnhof sind nur zwei Schalter besetzt. Die Kunden stehen bis zu den Eingangstüren Schlange. Sie alle wollen ein Zugticket kaufen oder beraten werden. Denen, die auf die Automaten ausgewichen sind, geht es nicht besser. Auch hier warten viele Kunden. Die einen starren ratlos auf den Touchscreen, andere wuseln sich schnell durch die Bedienungsschritte. Wieder andere holen sich Bahnpersonal zur Hilfe, das sie durch das Menü lotsen soll, weil sie alleine nicht zurecht kommen. Eine Frau schert aus der Schlange aus, schüttelt den Kopf und fasst sich genervt an die Stirn: "Jetzt ist mein Zug weg, das gibt’s doch nicht."
Die Bahn strebt ins Automaten-Zeitalter, und ab dem 14. Dezember drückt sie noch einmal aufs Tempo: Dann muss jeder Bahnkunde, der seine Fahrkarte am Schalter holt, einen pauschalen Service-Zuschlag von 2,50Euro zahlen. Und das, obwohl nach einer aktuellen Statistik der Bahn noch immer fast 50 Prozent der Deutschen ihre Fahrscheine am Schalter kaufen.
Dei meisten Kunden sind empört. "Das ist eine Unverschämtheit", schimpft etwa Matthias Stapper aus Düsseldorf. "Die Bahn ist ein Dienstleistungsunternehmen, und wenn es dann um Service geht, hält sie die Hand noch einmal zusätzlich auf."
Der 75-Jährige hält die Bedienung der Automaten für "sehr schwierig und unübersichtlich". Er sieht eine klare Absicht hinter der Service-Gebühr: "Das ist doch Abzocke", sagt er. "Die Bahn zwingt vor allem ältere Leute, die kein Internet haben und auch die Automaten nicht ohne Probleme bedienen können, für etwas zu bezahlen, das eigentlich selbstverständlich sein sollte." Um mehr Kunden fit zu machen für den Umgang mit dem Touchscreen, kooperiert die Bahn möglicherweise bald mit den Volkshochschulen (VHS) des Landes. Eine Idee, die in Dortmund schon Wirklichkeit ist. Im Juli schlüpfte Bahn-Mitarbeiter Dirk Haferkemper zum ersten Mal in die Rolle des Pädagogen und trat mit Computer-Beamer und einer Power-Point-Präsentation ins Automaten-Seminar. VHS-Chef Heinz Bünger setzte sich beim ersten Kursus mit den 15anderen Teilnehmern auf die Schulbank und war begeistert: "Gut zu wissen, dass der Apparat mit mir nicht mehr macht, was er will, sondern was ich will."
Nach der Theorie über das High-Tech-Innenleben der Maschinen kommt in jedem Kurs die Schulung am Automaten - die Vorbereitung auf den Ernstfall. NRW-plus-Tarif, Ruhezone, mit Fahrrad, mit Hund, Dauer-Spezial, Bahn-Tix: Den Seminarteilnehmern rauchen dabei regelmäßig die Köpfe. VHS-Mitarbeiterin Irene Baum: "Die Technik ist wirklich so komplex heute, dass man sich schulen lassen muss."
Bis Dezember will die Dortmunder VHS die kostenlosen Kurse zunächst anbieten; die Nachfrage sei "überwältigend". Möglicherweise wird das Projekt auch in anderen Regionen Schule machen. Bei der Bahn gibt es offenbar Überlegungen, bundesweit Kurse für Automaten einzuführen. Hartmut Buyken, Vorsitzender des Fahrgastverbandes "Pro Bahn", bleibt allerdings skeptisch. "Dadurch gesteht die Bahn ein, dass sie die falschen Geräte aufgestellt hat."