Abstand muss sein - Nicht vor der Trauer in den Urlaub fliehen

Düsseldorf (dpa/tmn) - Nach dem Verlust eines Angehörigen im Urlaub auf andere Gedanken kommen zu wollen, klingt naheliegend. Aber etwas zeitlicher Abstand muss sein. Mindestens acht Wochen empfiehlt die Psychotherapeutin Ulla Steger.

Direkt nach dem Tod eines Verwandten oder Partners vor der Trauer in den Urlaub fliehen zu wollen, funktioniert nicht. „Etwas zeitlicher Abstand sollte schon sein“, sagt Ulla Steger, Psychologin und Psychotherapeutin aus Düsseldorf. „Also nicht innerhalb der ersten acht Wochen nach dem Todesfall verreisen - auch nicht zusammen mit anderen Trauernden.“

Danach könne ein solche Reise aber eine gute Alternative sein, sagt Steger. Das gelte gerade für die dunkle Jahreszeit, die vielen Trauernden besonders zu schaffen macht: den November, aber auch für Weihnachten und Silvester.

Denn die Feiertage wie gewohnt zu verbringen, sei für Trauernde im ersten Jahr unrealistisch. „Reisen für Trauernde machen es möglich, dann nicht alleine zu sein und auf ganz andere Weise zu feiern“, sagt Steger. Dabei könnten sie vor allem davon profitieren, die Urlaubszeit mit anderen zu verbringen, denen sie ihre Situation nicht erst erklären müssen. „Da gibt es ein wortloses Verständnis“, sagt Steger. „Es ist unheimlich erleichternd für Trauernde zu wissen, dass alle anderen mit der gleichen Situation zu kämpfen haben.“

Gegenüber anderen sei es oft sehr schwer, darüber zu sprechen, wenn man zum Beispiel gerade ein Kind verloren hat. „Bei Reisen mit Trauernden kann man das sagen.“ Eine der schlimmsten Erfahrungen für Trauernde sei das Unverständnis und die Hilflosigkeit der anderen: „Es kommt vor, dass Leute den Bürgersteig wechseln, wenn sie einen Trauernden sehen, nur weil sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollten.“ Vor solchen Erlebnissen seien Trauernde vergleichsweise sicher, wenn sie mit Menschen verreisen, denen es geht wie ihnen.

Besonders geeignet seien Ziele am Meer, erläutert die Psychologin. „Trauernde erleben Wellen, Ebbe und Flut und den weiten Blick oft als heilsam.“ Aber auch Urlaub in den Bergen sei eine gute Wahl: „Bei Bergtouren kann man sich immer wieder ein bisschen steigern.“ Die Erfahrung, sich Herausforderungen erfolgreich zu stellen, sei gerade für Trauernde ermutigend. Aktivitäten wie Schnorcheln oder Segeln können ebenfalls einen positiven Effekt haben: „Solche Erfahrungen tragen dazu bei, dass sich meine Welt wieder öffnet, die sich in der Trauer oft verschließt.“

„Es gibt aber auch komplizierte Trauerverläufe, bei denen solche Reisen nicht infrage kommen“, sagt Steger. Bei schweren Schicksalsschlägen, etwa wenn Eltern durch einen Unfall ihre Kinder verloren haben, sei nicht auszuschließen, dass es retraumatisierend wirkt, wenn sie intensiv mit anderen darüber sprechen. In der Regel aber sei es so, dass diejenigen, die sich freiwillig dafür entscheiden, auch das Bedürfnis haben, mit anderen Trauernden Urlaub zu machen. „Und dann sind solche Angebote ohne Einschränkung positiv zu bewerten.“

Wichtig sei allerdings, dass niemand über seine Gefühle und Verlusterfahrungen reden muss, der das nicht möchte - weder mit anderen Trauernden und auch nicht mit den Trauerbegleitern.

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