Warteschlangen und Flugausfälle Flugchaos im Sommer? Was Reisende in NRW jetzt vor dem Urlaub wissen müssen

Berlin · Gestrichene Flüge, Probleme bei der Abfertigung an den Flughäfen: Womöglich steht ein chaotischer Flugreisesommer bevor. Ist der Urlaub in Gefahr? Und welche Rechte haben Urlauber bei Flugärger?

Auch an den Flughäfen in NRW müssen Airlines aktuell viele Flüge strecien. An den Sicherheitskontrollen kommt es zudem zu langen Wartezeiten.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Gestrichene Flüge und lange Warteschlangen an Check-in und Sicherheitskontrollen: Für viele Briten begannen die Frühjahrsferien Anfang Juni mit einer Menge Flughafenfrust. Für die Probleme sorgten Personalmangel bei den Airlines und Airports.

Lufthansa und Eurowings haben für Juli jeweils schon hunderte Flüge gestrichen. Der Chef der Flugsicherungsgewerkschaft warnte kürzlich vor einem nie dagewesenen Chaos in diesem Sommer an deutschen Flughäfen und forderte die Politik zum Handeln auf.

Was kommt da auf Urlauber in den Sommerferien zu?

„Wir rechnen damit, dass diese Situation über den gesamten Sommer bis in den Herbst anhalten wird, da es praktisch schwierig bis unmöglich ist, in allen betroffenen Bereichen kurzfristig das benötige Personal aufzubauen“, sagt Karolina Wojtal vom Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland.

Was können Reisende vor dem Abflug tun?

Informiert bleiben, wie es um den Status ihres Fluges bestellt ist. Und rechtzeitig am Airport sein. „Generell sollten sich Reisende aktuell noch früher am Flughafen einfinden als sonst - mindestens zweieinhalb bis drei Stunden vor Abflug“, empfiehlt die Leiterin für Sicherheits- und Krisenmanagement beim Reisekonzern DER Touristik, Melanie Gerhardt. Wenn möglich, checkt man sich vorab online ein. Wer kann, verzichtet bei Kurzreisen auf Aufgabegepäck.

Angesichts der schon angekündigten Flugstreichungen: Wann und wie kann meine Airline meinen Flug stornieren?

Grundsätzlich kann sie das immer tun - je nach dem Zeitpunkt haben Reisende dann aber Anspruch auf Erstattungen und gegebenenfalls Schadenersatz. Dafür gibt es die EU-Fluggastrechteverordnung. Sie ist für alle Flüge anwendbar, die innerhalb der Europäischen Union starten. Für Flüge, die in der EU landen, gilt sie nur dann, wenn die Airline ihren Sitz in einem der EU-Mitgliedsstaaten hat.

Ist die gebuchte Pauschalreise für den Sommerurlaub in Gefahr?

Der Deutsche Reiseverband (DRV), der Veranstalter und Reisebüros vertritt, gibt zumindest etwas Entwarnung. „Dass gut gebuchte Strecken zu den Pauschalreise-Zielen rund ums Mittelmeer oder zu ferneren Zielen in größerem Umfang gestrichen werden, ist eher unwahrscheinlich“, teilt der DRV auf Anfrage mit. „Das gilt insbesondere für Flüge, die von den Reiseveranstaltern lange im Vorfeld eingekauft worden sind.“

Veranstalter und Reisebüros seien in engem Austausch mit den Fluggesellschaften, um die Auswirkungen von möglichen Flugstreichungen so gering wie möglich zu halten.

Muss mich eine Airline im Fall einer Stornierung auf jeden Fall umbuchen oder laufe ich Gefahr, dass ich zwar mein Geld fürs Ticket zurückbekomme - aber dann keinen Flug habe?

Laut Fluggastrechteverordnung haben Reisende in so einem Fall ein Wahlrecht zwischen der vollständigen Erstattung des Ticketpreises und einer Umbuchung durch die Airline. „Sie haben also Anspruch auf eine Umbuchung“, so Verbraucherschützerin Wojtal. „Nur in der Praxis klappt das nicht immer.“

Was man beachten sollte: In der Regel buche die Airline den Fluggast um, so Wojtal. Ansonsten sollte man sich auf jeden Fall das Einverständnis für die eigenständige Alternativbuchung von der Airline holen, damit es bei der Erstattung keine Probleme gibt.

Was ist mit meinem auf eigene Faust gebuchten Hotel oder Ferienhaus, wenn mein Flug ohne eigenes Zutun storniert wurde?

Das muss man trotzdem bezahlen. Nur wenn die Geschäftsbedingungen (AGB) des Ferienhaus- oder Hotelbetreibers eine Stornierung vorsehen, kann man sein Geld zurückverlangen, erklärt Wojtal. Sonst bleibt nur das Hoffen auf Kulanz.

Was gilt bei Pauschalreisen im Fall einer Flugstornierung?

Hier ist der Veranstalter zuständig. Er muss für eine Ersatzbeförderung sorgen, stellt die Verbraucherzentrale Hamburg klar. Und der Reisepreis dürfe sich durch die neue Flugverbindung nicht erhöhen, auch wenn der Veranstalter aufgrund der Streichung kurzfristig teurere Flüge einkaufen müsse.

Bei einem annullierten Flug im Rahmen einer Pauschalreise kommen laut Verbraucherschützerin Wojtal Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter in Betracht - auf Minderung des Reisepreises oder sogar Schadenersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Steht mir im Fall einer Stornierung als Individualreisender auch eine Ausgleichszahlung zu?

Womöglich ja. Entscheidend ist der Zeitpunkt. Erfolgt die Storno-Info von der Airline weniger als 14 Tage vor Abflug, hat man neben dem beschriebenen Wahlrecht zwischen Erstattung und Umbuchung gegebenenfalls noch Anspruch auf eine Ausgleichszahlung in Höhe von bis zu 600 Euro - abhängig vom konkreten Einzelfall.

Was gilt rechtlich, wenn ich wegen Personalmangel bei der Sicherheitskontrolle den Flug verpasse?

„Hier kommt es auf den Einzelfall an, dies regelt die Verordnung nicht“, sagt Karolina Wojtal. Ein Anspruch gegen die Airline, den Reiseveranstalter oder den Flughafenbetreiber bestehe nur, wenn sich der Fluggast rechtzeitig vor dem Abflug am Flughafen eingefunden hat.

Ist man rechtzeitig am Flughafen und droht, wegen langer Warteschlangen dennoch den Flug zu verpassen, sei es wichtig, den Zeitablauf zu dokumentieren, sagte der Reiserechtler Paul Degott dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). So sollte man Fotos von einigen Situationen machen - etwa von der rechtzeitigen Ankunft am Flughafen, der Schlange im Terminal, der Zahl der geöffneten Schalter.

Wer hilft einem bei Verschiebungen und verpassten Flügen, sein Recht einzufordern?

Sich selbst durch die Fluggastrechteverordnung wühlen und dann mit den Airlines in Kontakt treten - vor diesem Aufwand scheuen viele zurück. Hilfreich kann an der Stelle zum Beispiel die Flugärger-App der Verbraucherzentrale NRW sein. Mit der kostenlosen, für iOS und Android verfügbaren Anwendung können Reisende ihre Ansprüche prüfen und eine Mail an die Airline formulieren.

Das Europäische Verbraucherzentrum bietet ein browserbasiertes Selbsthilfe-Tool bei Flugproblemen. Einen Entschädigungsrechner gibt es auch beim Autofahrer-Club ADAC.

(dpa)