Slowenien Abenteuer im Reich der Stalagmiten

Das kleine Land zwischen Österreich, Ungarn, Kroatien und Italien ist weit mehr als eine Transit-Verbindung.

Atemberaubend und faszinierend: Die Höhle in Postojna. Über Millionen Jahre sind ihre Tropfsteine gewachsen. Foto: Postojna Cave

Foto: Postojna Cave

In Slowenien sind die Wege kurz. Die längste Diagonale zwischen Alpen und Mittelmeer lässt sich auf nagelneuen Autobahnen in drei Stunden meistern. Dazwischen liegt Europa im Miniaturformat.

Ljubljana ist 2016 die „Grüne Hauptstadt Europas“. Foto: Dunja Wedam

Foto: Dunja Wedam

Da ist als erstes Ljubljana (auf Deutsch Laibach), die vitale Hauptstadt. In den Straßen und Gassen am Fluss Ljubljanica lassen sich Erinnerungen an die Römerzeit entdecken, Fassaden wie in Venedig, prächtige Bauten des Barock und verspielte Elemente des Jugendstils. Über allem thront die mittelalterliche Burg.

Romantisch wird es an lauen Sommerabenden in den zahlreichen Freiluft-Lokalen am Flussufer. Da zeigt sich: Jeder fünfte Einwohner ist Student. Was die gemütlich-gelassenene Atmosphäre der „Grünen Hauptstadt Europas 2016“ nur belebt. Die Altstadt ist autofrei, jeder kann in Elektro-Shuttles an seinen Lieblingsplatz gelangen. Und sich von der slowenischen Küche überraschen lassen, die weitaus mehr bietet, als das, was einst auf der Speisekarte „beim Jugoslawen“ stand.

Von Ljubljana aus sind die kurzen Wege noch kürzer. Etwa der an die Adria. Der Ort Piran, am äußersten Südwest-Zipfel Sloweniens gelegen, unterscheidet sich in nichts von anderen Hotspots am Mittelmeer. Malerische Gassen, Palazzi und Piazze — unter der südlichen Sonne reichlich Stoff für Auge und Gemüt.

Auf dem höchsten Punkt von Piran, an der Domkirche St. Georg aus dem 14. Jahrhundert, liegt dem Besucher ein wahrhaft europäisches Panorama zu Füßen: Slowenien und seine Berge, das Nachbarland Kroatien, und, in greifbarer Nähe, Triest und Italien. Grenzenloses Europa - bis Venedig sind es nur 90 Autominuten.

Slowenien, zwei Millionen Einwohner, 500 Jahre beim Haus Habsburg, nach 1945 Teil Jugoslawiens und seit 1991 unabhängiges EU- und Euro-Land, hat das Zeug zu mehr als einem Transitland. Aus dem Fernsehen kennen wir Festivals in Ljubljana, die Volksmusik der Oberkrainer Musikanten, im Winter Skifliegen in Planica und Weltcup-Slalom in Kranjska Gora. Die touristische Infrastruktur Sloweniens hat Europa-Standard.

Wer auf der Strecke Villach-Ljubljana aus dem zehn Kilometer langen Karawanken-Tunnel ans slowenische Tageslicht kommt, ist nur einen Katzensprung von Bled entfernt. Auch das kennt der Sport-Fernsehfan: Der smaragdgrüne See von Bled mit der Inselkirche „Mariä Himmelfahrt“ ist eine ideale Ruderstrecke für Welt- und Europameisterschaften. Der See liegt malerisch vor den Julischen Alpen, zu Füßen der 130 Meter höher auf einem schroffen Felsen gelegenen Burg. Auch dort europäische Geschichte pur: Bled war 800 Jahre lang eine Tiroler Enklave im Habsburger Reich.

Und dann hat Slowenien noch eine ganz besondere Attraktion zu bieten. Inmitten seiner kalksteinernen Karst-Landschaft mit Tausenden von unterirdischen Grotten befindet sich — unmittelbar an der Autobahn E 61 — in der Ortschaft Postojna die „Königin der Höhlen“, die weltweit größte touristisch erschlossene Unterwelt. Die hat es in sich.

Als im 19. Jahrhundert die Eisenbahnstrecke Laibach-Triest geplant wurde, stieß man auf die damals auf Deutsch sogenannte „Adelsberger Grotte“. Mit atemberaubend bizarren Tropfsteinen, die über Millionen von Jahren Millimeter um Millimeter gewachsen sind.

Der Blick ins Gästebuch zeigt unter dem 12. September 1996 einen Eintrag von Roman Herzog: „Die Natur ist doch großartiger als alles, was der Mensch schuf.“ Recht hat er, der damalige deutsche Bundespräsident.

Vor ihm waren schon ganze Heerscharen von hohen Besuchern in der Höhle, die heute auf 22 Kilometern befestigten Wegen gefahrlos besichtigt werden kann. Kaiser Franz-Joseph und seine Sissi haben sich gleich zwei Mal im Gästebuch verewigt — 1857 und 1883.

Seit 1872 fährt eine unterirdische Eisenbahn die Touristen durch die gigantische Welt der Stalagmiten, Stalaktiten und Stalagnaten. Unbeschreiblich, was Flüsse und sickerndes Wasser tief unter der Erde geschaffen haben: grüne, gelbe, rote, schwarze Hallen, je nach Inhaltsstoffen des steten Wassertropfens. 90 Minuten dauert eine kombinierte Tour auf Bahnstrecke und Fußweg.

Wer mehr will, kann einen Abenteuer-Ausflug buchen: Ausgerüstet mit Overall, Helm und Lampe, mit Abseilen an Felswänden und Schlauchboot-Fahrt auf unterirdischen Flüssen. Bei gleichmäßigen neun Grad Temperatur. In Sichtweite des Grottenparks ist die weltweit größte Höhlenburg in eine 123 Meter hohe Felswand gehauen.

Wer begreifen will, wie eine solche Wunderwelt entstehen konnte, und wer dieses Wissen auch seinen Kindern vermitteln will, der wird vor oder nach dem Höhlenbesuch vom mit neuester elektronischer Animation gestalteten Info-Pavillon begeistert sein. Da lässt zum Beispiel der Besucher seine Körpergröße messen und bekommt ausgerechnet, wie alt eine gleich große aufrecht stehende Tropfstein-Säule ist. Das wären, bei 1,87 Metern Mensch und einem Wachstum von einem Millimeter Stein in 20 Jahren, unterm Strich rund 374 000 Jahre.

Saison ist in der Super-Höhle von Mai bis September. Es empfiehlt sich aber, vor einem Besuch die Wetterkarte zu studieren. Höhlenführer Miran Mejak (42): „Wenn es in Istrien regnet, kommen Scharen von Urlaubern aus Italien zu uns in die Höhle.“

Der Autor reiste mit Unterstützung des slowenischen Fremdenverkehrsamtes.

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