Dem Winter entfliehen: Dazu muss man nicht in die Ferne, es genügt ein Trip nach Oberitalien - etwa an den Gardasee Winter-Auszeit am Gardasee
Von Claudia Kasemann
„Ander“ ist spät dran. Schon 25 Minuten warten Passagiere in Mützen und Mänteln am Kai des kleinen Fährhafens in Peschiera am Südufer des Gardasees auf den letzten Anschluss des Tages in Richtung Garda. „Das ist ja fast wie bei der Deutschen Bahn“, witzelt einer der Touristen, „vielleicht ein kurzfristiger Personalausfall?“ Doch gegen 16.25 Uhr biegt das kleine Passagierschiff um die Landzunge – auf www.
navigazionelaghi.it lässt sich der eingeschränkte Festtags-Fahrplan nachvollziehen. Warum „Ander“ ausnahmsweise unpünktlich in Peschiera ankommt, verrät die Besatzung nicht, und den Fahrgästen ist es egal – sie sind froh, ins Warme zu kommen, bestens gelaunt.
Bummel durch
die Städte am Südufer
Und das ist kein Wunder nach dem schönen, sonnigen Wintertag am größten See Italiens mit Stadtbummel durch Städtchen wie Peschiera oder Desenzano, nach anschließendem Cafébesuch mit Aperol-Spritz und Cappuccino. Nicht alle gastronomischen Betriebe haben geöffnet. Für Restaurants, vor allem in kleineren Orten, lohnt es sich im Winter nicht. Auch Hotels, Pensionen und Ferienapartments machen Pause. Etliche Hoteliers nutzen die Zeit, um Häuser und Anlagen auf Vordermann zu bringen, damit Baukräne und Gerüste spätestens Ende März und pünktlich zum Saisonbeginn verschwunden sind. Urlauber, die jetzt, im Januar, herkommen, erleben die Zeit als ruhig und erholsam – auch wenn an den Wochenenden Tagesausflügler aus der Region in Touristenorte wie Sirmione schwärmen. Denn die Festtage sind vorbei, und viele feier- und wintermüde Städter aus den nahen Metropolen Verona und Bresica zieht es zum Auslüften an die Ufer zwischen Riva im Norden und Desenzano im Süden.
Tagesausflügler in Sirmione
und Peschiera
Vor allem auch samstags pilgern sie in Sirmione zum Castello Scaligero, der berühmten Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert, und dann kann es im historischen Ortskern schon einmal eng werden. Auch Weihnachtsmärkte wie in Garda und Bardolino sind beliebt und nach den Festtagen noch gut besucht. Die Stimmung ist entspannt, die Atmosphäre lässig, es macht Spaß, sich durch Straßen und Gassen treiben zu lassen. Größere Veranstaltungen und Partys gibt es im Januar kaum. Und das will wohl auch niemand, der um diese Zeit herkommt.
In kleineren Orten wie Torri del Benaco am Ostufer des Sees ist ohnehin nichts los – im besten Sinne. Dort wird abends sogar zeitweilig die Weihnachtsbeleuchtung ausgeschaltet, und vermeintlich geöffnete Restaurants liegen in malerischem Seekulissen-Dunkel.
Schneidend kalt kann es werden, und sehr windig, auch auf der Autofähre zwischen Torri und Maderno. Doch klare Luft, Ruhe und eine im Idealfall wärmende Wintersonne sind die besten Argumente für eine entspannende Auszeit an dem See, der wild und neblig sein kann und manchmal vergessen lässt, dass er kein Meer ist.
„Das hier ist die beste Jahreszeit“, sagt ein Paar aus dem Rheinland, das schon zum dritten Mal den Jahreswechsel am Gardasee verbracht hat – feiernd mit ihren Gastgebern in Lazise. Mal eben auf nach Garda? Aus NRW ist es schon eine ordentlich lange Autofahrt in Richtung Oberitalien, aber mit dem Zug über München lässt sich der See in einer Tagesreise gut erreichen. „Ganz bequem“, sagen die beiden und bleiben gleich noch eine Woche am – fast – vom Tourismus befreiten Lago. Denn natürlich zieht es dennoch viele Deutsche her. Besonders Besucher aus Baden-Württemberg und Bayern sind jahreszeitunabhängig verlässliche Wiederholungsgäste – sie „huschen“ kurz über den Brenner und sind in gut fünf Stunden vor Ort.
Wie lautet doch gleich eine schöne Münchner Antwort auf die Frage nach Reiseplänen: „Naaa, mir fahr’n ned weg, mir fahr’n bloß a bisserl an den Gardasee.“