Es gibt noch Platz über den Wolken: Sitzabstände in der Economy

Hamburg (dpa/tmn) - Eine Fluggastkabine gehört zu den teuersten Grundstücken der Welt. Die Airlines feilschen um jeden Zentimeter. Immer mehr Sitze werden installiert. Die Passagiere fühlen sich wie Sardinen.

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Doch neue Sitze versprechen Besserung.

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Billig fliegen - schön und gut. Doch dieses Schreckgespenst fliegt gratis: Economy-Class-Syndrom heißt es, und wenn man den Diskussionen im Internet trauen darf, ist es ein Wunder, dass überhaupt ein Fluggast seinen Zielort lebend erreicht. Der Tenor: Die knappen Abstände zwischen den günstigsten Reihen im Flugzeug zwingen die Gäste in eine Sitzhaltung, bei der das Blut nicht mehr richtig zirkuliert. Blutgerinnsel und in der Folge Thrombosen oder Schlimmeres drohen die Sparfüchse unter den Fluggästen dahinzuraffen. Soweit die Legende.

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Tödlich ist unbequemes Sitzen jedoch nur selten. Auch wenn sich mancher Fluggast wie eine Legehenne fühlt. Doch ebenso zweifelsfrei ist Komfort zunehmend ein Luxus, den Fluggesellschaften gesondert berechnen. „Das Layout der Fluggastkabine wird wesentlich vom Geschäftsmodell der jeweiligen Airline bestimmt“, sagt Ralf God, Leiter des Instituts für Flugzeug-Kabinensysteme an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Bei Billigfliegern, die ihr Geld kaum noch mit Flugtickets, sondern mit dem Verkauf von Wurstsemmeln und Instantkaffee verdienen, werde kein Raum verschenkt.

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Die Airlines forschen händeringend nach Konzepten, wie sie mehr Sitze in ihren Flugzeugen unterbringen können, um Kosten - und vor allem den Co2-Ausstoß zu senken. Auch das Gewicht der Sitze selbst gerät in den Fokus. „In der Europakabine der Lufthansa etwa kommen Modelle zum Einsatz, die im Wesentlichen nur noch mit Stoff bespannte Metallgestelle sind. Die sehen fast wie Gartenstühle aus“, so God. Dem Komfort, so der Experte, tue das jedoch keinen Abbruch. Dafür sind sie 3,8 Kilo leichter als die alten Modelle.

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Bei 120 Sitzen in der Economy-Class eines Airbus A320 bringt das eine Gewichtsersparnis von einer knappen halben Tonne. Nach Angaben des Unternehmens lassen sich durch die Gewichtsreduktion pro Maschine 43 Tonnen Kerosin im Jahr einsparen, erklärt Klaus Gorny, Sprecher des Unternehmens. Bei der Gewichtsreduktion in der Kabine sieht er noch viel Spielraum, um die Luftfahrt wirtschaftlicher zu gestalten. Und umweltfreundlicher.

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Der Spielraum für die Passagiere endet dagegen oft nach rund 75 Zentimetern an der Rückenlehne des Vordermanns. Es sei denn, man weiß sich zu helfen, erklärt Andrew Wong vom Ratgeberportal Seatguru. Meist kommt eine Boeing 737 oder ein Airbus A320 zum Einsatz. Beide verfügen über nur einen Mittelgang, zu dessen Seiten sich jeweils drei Sitze befinden. Entsprechend vorhersehbar sei das Kabinenlayout. Die üblichen knapp 74 bis 79 Zentimeter Sitzabstand seien zwar nicht großzügig - auf Flügen von zwei bis drei Stunden aber akzeptabel. Die absolute, gerade noch zulässige Schmerzgrenze liegt bei 71 Zentimetern. Die reize zum Beispiel Ryanair aus, so Wong.

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Wer Extrakomfort auf Kurzstrecken sucht, sollte sich lieber mit der Reservierung des Sitzplatzes beschäftigen, als mit der Auswahl der Airline - zumindest bei vergleichbaren Preisen. Denn begehrte Plätze hinter der Kabinenwand und vor dem Notausgang, die oft ein wenig mehr Beinfreiheit bieten, sind schnell vergeben.

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Vor allem auf der Langstrecke lohnt vergleichen. Aber gerade hier ist die Konkurrenz ungleich größer: Wer will schon sechs, acht oder zehn Stunden eingezwängt wie eine Sardine verbringen? Umso wichtiger ist der Vergleich der Airlines: Zwischen rund 79 und 81 Zentimeter bewegen sich die Abstände hier in der Regel. Doch es gibt Ausnahmen: Klassenprimus Thai Airways zum Beispiel wartet selbst in der Economy-Class mit luxuriösen 83 bis 86 Zentimetern auf, so Wong.

Und auch die Sitzbreite bestimmt den Komfort wesentlich: Die Vorteile von geräumigen 47 Zentimetern gegenüber schmalen 43 Zentimetern werden nicht nur beleibtere Personen gegen Ende des Fluges spüren. Besonders ärgerlich: Einige Airlines experimentieren bereits mit einem zehnten Sitz in einer auf neun Plätze ausgelegten Reihe.

„Eine Fluggastkabine gehört zwar zu den teuersten Grundstücken der Welt, und deshalb wird um jeden Quadratzentimeter gerungen“, erklärt René Dankwerth, Vizepräsident der Forschungs- und Entwicklungsabteilung beim Sitzhersteller Recaro Aircraft Seating. „Doch beim Thema Komfort und Ergonomie gibt es noch Spielraum.“ So seien zum Beispiel die Armlehnen moderner Passagiersitze vorne schmaler als hinten und unten schmaler als oben, sodass sie den Gästen mehr Bewegungsfreiheit gewähren.

Und wird es künftig mehr Platz über den Wolken geben? „Das hängt von der technologischen Entwicklung ab“, sagt Dankwerth. „Sollten sich in ferner Zukunft Überschallflugzeuge in der Passagierluftfahrt durchsetzen, wird es eher enger.“ Da dann aber auch Langstrecken in kürzester Zeit zu überwinden sind, sei das verschmerzbar. „Es ist aber auch das Gegenteil möglich: Setzen sich Solarflieger wie jener, den Airbus gerade vorgestellt hat, durch, dann geht es wohl wieder langsamer am Himmel zu.“ Längere Reisezeiten erhöhen dann den Druck auf die Airlines, die Passagierkabine komfortabler zu gestalten.

Für die nahe Zukunft entwirft jedoch Ralf God von der Universität Hamburg-Harburg ein mögliches Szenario: „Die Menschen werden immer größer und schwerer. Das werden auch die Airlines beim Kabinenlayout künftig berücksichtigen müssen“, sagt God. Er schränkt aber ein, dass sich die Airlines wie alle Unternehmen an den Märkten orientieren. „Und die liegen künftig in Asien: In puncto Enge sind Chinesen und Japaner sicher noch ein wenig leidensfähiger als wir Europäer.“

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