Noordwijk: Eine Stadt und ihre Blumenpracht

In diesem Jahr feiert der „Blumenbadeort Europas“ seinen 150. Geburtstag. Farbenfrohe Blüten und Dünen machen das besondere Flair von Noordwijk aus.

Foto: Noordwijk Marketing

Noordwijk. Prüfend blickt Henriëtte Kors auf die Farben-Leinwand, auf der eine blaue Vase und darin ein fächerartiger Strauß Blumen zu sehen sind: grüne Linien, rote Kronen an deren Enden, gelbe Kleckse darin, ein blau gefärbtes Gefäß, mit weißen Strichen akzentuiert. Dann wandern die Augen der Malerin zum Original, das einige Meter entfernt in ihrem Atelier im niederländischen Noordwijk steht. Die Beleuchtung erzeugt Schatten an der freien weißen Wand. Die frischen Tulpenköpfchen zeigen in alle Richtungen.

Foto: Marcel Verheggen

„Besonders gut gefällt mir die Dynamik in Ihrem Gemälde“, sagt die Malerin schließlich zu ihrem erwachsenen Schüler. „Sie haben das Fließende der Stängel schön eingefangen. Auch die Lichtreflexe auf der Vase sind gelungen. Sie haben Talent, vielleicht finden Sie Zeit, weiter zu malen.“ Der 42-jährige Gast aus Deutschland lächelt erfreut. Sein Werk, mit Ölfarben auf Tuchleinwand erstellt, wird er als Andenken mit nach Hause nehmen.

Henriëtte Kors malt seit ihrem 13. Lebensjahr. In einer Montessori-Schule lehrt die 56-Jährige Zeichnen, seit 2001 malt sie professionell im Atelier. Den an zwei Seiten verglasten Raum an der Voorstraat in Noordwijk-Binnen haben sie und drei weitere Künstler erst zu Jahresbeginn bezogen. In Workshops lässt sie Interessierte auf Anfrage kreativ werden. Als Motive bevorzugt Henriëtte Kors Strand-Impressionen, aber auch Stillleben, besonders Blumen. „Ich liebe die Weite des Meeres und die Ruhe am Strand. Tulpen symbolisieren für mich Gemütlichkeit mit Freunden.“

Blumen und Meer. Das sind die beiden Wahrzeichen der Gemeinde Noordwijk mit ihren knapp 26 000 Einwohnern, die in diesem Jahr ihren 150. Geburtstag feiert. Im Umkreis des rund 13 Kilometer langen Sandstrands und der weiten Dünenlandschaft haben sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche Hotels, Ferienhäuser, Bars und Restaurants angesiedelt — das erste war, so heißt es, im Jahr 1874 das Badhotel Konijnenburg. Jährlich kommen rund drei Millionen Touristen in das Seebad, um Familien-, Erholungs- oder Aktivurlaub zu machen, um zu shoppen oder an einer der vielen Veranstaltungen teilzunehmen.

Um 1866 war das Strandleben noch der Oberschicht vorbehalten, mit ihren Badekutschen und Dienern hielten sich die Damen und Herren zwecks reinigender Kur exklusiv am und im Meer auf. Erst mit Installation der Dampfstraßenbahn vor Ort wurden Seeluft und Panorama auch für untere Klassen erlebbar.

Wasser, weißer Strand, Dünen, durch die man über Wander- und Fahrradwege bis nach Zandvoort im Norden und Katwijk aan Zee im Süden gelangt. Und: Millionen Blüten in Rot, Gelb, Weiß, Violett. Es sind diese Meere blühender Knospen, die meist Ende April auf dem umliegenden Anbaufeldern ihre Pracht entfalten und Noordwijk mit dem Start des ersten Blumenkorsos 1947 nach und nach zum international bekannten „Blumenbadeort Europas“ gemacht haben.

Die Basis bildeten medizinische Kräuter, ganz besonders Salbei: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich der Küstenort in der Provinz Südholland diesbezüglich zu einem der wichtigsten Zentren gemausert. Im Lauf der Jahrzehnte begannen Blumenzwiebeln, besonders von Tulpen, Narzissen und Gladiolen, die aromatischen Pflanzen abzulösen. 250 Geschäftsleute, die mit Blumenzwiebeln handelten, gab es Ende es 19. Jahrhunderts in Noordwijk. Auf ungefähr genauso vielen Hektar Land bauten sie ihre Zuchten an.

Heute gibt es in der gesamten Region rund 6200 Blumen- und Blumenzwiebelhändler. Seitdem feiern die Gemeindebewohner an der sogenannten Bollenstreek — so nennt sich das ausgedehnte Zwiebel-Anbaugebiet — jedes Jahr auf vielfältige Weise ihre Blumen. Zum Beispiel beim traditionellen Blumenkorso, dem stets bis zu einer Million Menschen beiwohnen. Als eine der größten Folklore-Veranstaltungen in den Niederlanden präsentiert der Umzug jedes Frühjahr mehrere Dutzend Prunkwagen und Limousinen, allesamt kreativ dekoriert mit Tulpen, Hyazinthen und Narzissen. Es ist ein bisschen wie Karneval: Blumenarrangements in Form von Säulen, Tieren, Fabelwesen, Gebäuden oder Gemüse sind zu sehen.

Frank de Heer, kocht mit Blumen

Noordwijk bildet jedes Jahr Ende April den Startpunkt des Korsos, der auf rund 40 Kilometern über Lisse nach Haarlem führt. Dort endet er meist zwei Tage später mit einer Ausstellung der Prunkwagen auf dem „Grote Markt“. Noordwijk lädt während dieser Zeit bei einem Blumenfest zu Aktivitäten und Shows rund um die Pflanzen ein.

Relativ neu in Noordwijk sind Blumen als essbare Bestandteile auf dem Teller — für das Blumendinner in der Galerie Klooster an der Hoofdstraat kreiert Koch Frank de Heer vom Cateringbetrieb Van der Linde unter anderem Blumensalat mit Ente, Kaviar und Limone sowie ein köstliches Dessert aus Schokoladenmousse mit Birnen, gekrönt mit karamellisierter Karma-Orchidee. „Ich habe mich einfach inspirieren lassen“, sagt der 49 Jahre alte Gastronom. Da ist er in Noordwijk genau an der richtigen Adresse.