Richtungsstreit in der Flusskreuzfahrt

Köln (dpa/tmn) - Sind Flusskreuzfahrten so gefragt, weil das Publikum an Bord vor allem ältere Menschen sind? Und werden sie noch erfolgreicher, wenn es mehr jüngere Flussreisende gäbe? Die Reedereien haben verschiedene Rezepte - und vergrößern die Auswahl immer weiter.

Das Image der Flusskreuzfahrten müsste Werber erschauern lassen: alte Mittelklassekähne voller Grauköpfe, die durch die Landschaft tuckern. Der Altersschnitt an Bord: weit jenseits der 60. Vom Glamour der Hochseekreuzfahrt keine Spur. Doch dem Klischee zum Trotz wächst genau diese scheinbar biederste aller Urlaubsarten Jahr für Jahr. Im Jahr 2010 machten die Anbieter mit Flusskreuzfahrten laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) in Berlin fünf Prozent mehr Umsatz. Und jetzt steigt mit der Tui einer der Großen aus der Reisebranche so richtig in den Nischenmarkt ein.

„Wir haben uns den Markt seit 2004 angeschaut und sehen großes Potenzial“, erklärt Andreas Casdorff, Kreuzfahrtexperte der Tui. 2008 ließ der Veranstalter die „Maxima“ als erstes Flusskreuzfahrt-Schiff im Tui-Bübchenblau streichen. 2010 wurde die „Sonata“ getauft, und in diesem Jahr verdreifacht Tui seine Flussflotte auf sechs Schiffe. In der Stralsunder P+S-Werft werden die „Allegra“ und „Melodia“ zusammengeschraubt, die baugleich mit der „Sonata“ sind und im April 2011 auf Jungfernfahrt gehen sollen. In der Winterpause werden außerdem die Fünf- und Sechs-Sterne-Schiffe „Mozart“ und „Premicon Queen“ umgebaut, die noch unter Transocean-Flagge unterwegs sind.

Tui will den Markt aufmischen und manches anders machen als die Konkurrenz. Viele Schiffe seien noch staubig und altbacken, sagt Casdorff - mit Treppenliften und Geranienkästen am Heck. Bisher sei wenig getan worden, um jüngere, weltoffene und wissbegierige Kunden anzulocken. Casdorff will die Flusskreuzfahrt nun entstauben. Er will moderne Schiffe, Kabinen mit einem Komfort wie richtige Hotelzimmer. Und er will frischere, anspruchsvollere Unterhaltung an Bord, Freilichtkino, Open-Air-Barbecue und Lesungen. „Der klassische Alleinunterhalter fährt bei uns nicht mehr mit“, sagt der Manager.

Doch wird sich die Frischzellenkur auszahlen? Wollen die Flussurlauber das überhaupt? Guido Laukamp denkt: nein. „Das Möchtegernjunge sehe ich als Anfängerfehler, den andere schon gemacht haben“, sagt der Geschäftsführer von Viking Flusskreuzfahrten in Köln und Vize-Vorsitzender im DRV-Schifffahrtsausschuss. „Wir sagen: Ja, wir haben alte Kunden, und wir sind glücklich damit.“

Senioren blieben gerne unter sich, erklärt Laukamp, sie hätten homogene Wünsche: schöne Landschaften, historische Sehenswürdigkeiten und sich auf Reisen verwöhnen lassen. Es mache keinen Sinn, die Altersgruppen auf Flusskreuzfahrtschiffen zu mischen. „Legen Sie zwei knackige 25-Jährige an den Pool, und Sie haben einen Aufstand.“ Auf den derzeit üblichen Schiffen für 150 bis 200 Passagiere gebe es nur ein Restaurant und eine Bar, sagt Laukamp. Es sei also nicht möglich, mehrere Arten von Urlaubern voneinander getrennt zufriedenzustellen so wie auf den viel größeren Hochsee-Kreuzfahrtschiffen.

Anders als auf hoher See könnten die Schiffe aber kaum weiter wachsen. Bei 135 Metern Länge, 11,45 Metern Breite und 6,5 Metern Höhe ist derzeit Schluss. Größere Schiffe würden nicht in die Schleusen passen und könnten auf manchen Flüssen nicht mehr wenden. Casdorff kündigt dennoch für die neuen Tui-Flussschiffe Rückzugszonen an: eine zweite Bar und einen kleinen Raum für Veranstaltungen. Und wenn sich jüngere Passagiere auf Rad- und Segwayausflügen austoben, hat von den Älteren sicher keiner etwas einzuwenden.

Helge H. Grammerstorf sieht die Verjüngungspläne dennoch skeptisch. „Ich verstehe gar nicht, was man gegen ältere Gäste hat“, sagt der Chef des Beratungsunternehmens SeaConsult in Hamburg. „Ältere Gäste haben Zeit und Geld.“ Grundsätzlich sei es aber für die Flusskreuzfahrt ein Segen, dass der größte Veranstalter Deutschlands sein Angebot massiv ausweitet. So würden gerade auch diejenigen Menschen darauf aufmerksam, die diese Reiseform bisher nicht kennen.

Noch ist die Flusskreuzfahrt nicht im Mainstream angekommen: Die rund 400 000 Passagiere im Jahr seien im Vergleich mit der Zahl aller Pauschalurlauber noch sehr wenig, sagt Grammerstorf. Doch die Nische wird breiter: Bis 2014 sollen 18 Prozent mehr Schiffe auf Westeuropas Flüssen schippern, schätzt der Experte. Der Preiskampf werde hart bleiben, Urlauber dürften sich weiter auf günstige Angebote freuen. Und auch wenn Tui alle sechs Schiffe auf die „Flussschiff-Autobahnen“ Rhein und Donau schickt: Eng dürfte es auf den Flüssen so schnell noch nicht werden. „Es ist noch Platz für alle“, sagt Grammerstorf.

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