Spreewald: Durch den grünen Dschungel
Kahnpartie mit einem „Gondolier“. Auf Du und Du mit Kranich, Storch und Fischotter.
Düsseldorf. Libellen surren übers Wasser. Am Ufer ziehen dichte grüne Büsche vorbei. Eine junge Entenfamilie schwimmt nah am Holzkahn entlang: Der Spreewald liegt nur rund eine Stunde Autofahrt südlich von Berlin - und könnte dem Trubel der Hauptstadt nicht viel entfernter sein.
Rund 1000 Kilometer Fließe ziehen sich durch kaum bewohntes Gebiet und machen den Spreewald zu einer in Mitteleuropa wohl einzigartigen Region - die seit rund 20 Jahren sogar ein Unesco-Biosphärenreservat ist.
Besonders gut lässt sich dieses "Grüne Venedig" mit seinen seltenen Tierarten wie Fischotter, Kranich und Storch bei einer Fahrt über die Fließe erkunden, beispielsweise mit einem Paddelboot oder einem der Holzkähne. Gerade bei einer der zahlreichen, beispielsweise rund um Lübbenau, angebotenen Kahntouren kann man sich bequem sitzend in das Innere des Spreewalds, den Hochwald, gondeln lassen.
Ein dröhnender Motor ist dafür nicht nötig. Stattdessen bewegt der Fährmann den Kahn samt manchmal 20 Besuchern mit einer langen Eschenholzstange vorwärts. Immer wieder zieht der "Spreewald-Gondolier", wie Theodor Fontane ihn einst bezeichnete, sie bedächtig aus dem Wasser, stößt sie ein Stückchen weiter erneut in den Boden und stemmt sich dagegen.
"Vorsicht!", ruft er schelmisch gleich zu Beginn. "Bei Durchfahrten unter der Brücke bitte auf Arme und Beine aufpassen. Wir haben keine Ersatzteile dabei." Die gute Stimmung ist damit gesichert, und nun geht es langsam voran, sehr langsam. Das ist nicht nur für geplagte Großstadtseelen eine Erholung. Schließlich bleibt so Zeit, sich in Ruhe umzusehen und etwas über die Region zu erfahren.
Der Legende nach soll der Teufel an der Schaffung des Spreewalds beteiligt gewesen sein: Eines Tages pflügte er mit seinen Ochsen das Bett der Spree um, bis diese müde und langsam wurden. Das ärgerte den Teufel, und er brüllte sie an. Das jedoch erschreckte die Ochsen so sehr, dass sie wild wurden und durchgingen. Die Tiere stürmten mit dem Pflug wild hin und her - und schufen so die kleinen Arme der Spree, die zahlreichen Fließe. So sagt die Legende.
Forscher haben eine andere Erklärung: Demnach bildete sich der mehr als 48 000 Hektar große Spreewald nach der letzten Eiszeit. Als das Schmelzwasser abzog, schwemmte es Sand in die Region. Dadurch bildeten sich nicht nur kleine inselartige Erhöhungen, auf denen Siedlungen entstehen konnten.
Die Spree teilte sich außerdem rund um diese sandigen Erhöhungen in hunderte Wasserarme und ließ so das große Fließlabyrinth entstehen. Vieles davon steht heute unter Naturschutz, Teile sind jedoch auch befahrbar: Auf rund 250 Kilometern kann man sich mit dem Boot durch Wälder, weite Wiesen und kleine Siedlungen mit Holzhäusern treiben lassen.
Eine Fahrt mit einem Kahn ist eine Möglichkeit. Dabei entdecken Besucher allerdings meist nur einen kleinen Ausschnitt des Spreewalds, fahren die Fährmänner mit den Besuchsgruppen doch oft über feste Routen und steuern dabei häufig auch ein Ausflugslokal mitten im Grünen an.
Außerdem kann es auf den größeren Wasserwegen gerade im Sommer etwas voller werden. Wer noch mehr Ruhe will und nichts gegen ein sportliches Training der Arme hat, kann sich daher sein eigenes Paddelboot mitbringen oder bei einem der zahlreichen Anbieter eins ausleihen. Auf diese Weise lassen sich noch entlegenere Wasserläufe erkunden, die man vor allem mit Fröschen oder Enten teilt.
Wie auch immer: Bei den Fahrten durch die Lagunenlandschaft fallen immer wieder Kähne auf, die am Rande eines Fließes im Wasser versenkt sind. Kaputt sind sie jedoch nicht, wie der Fremdenführer beim Vorbeigleiten erzählt. Etwa einmal im Jahr werden sie zunächst geteert und dann im Wasser versenkt. "Dadurch sind die Risse und Nähte im Holz wieder dicht und gegen eindringendes Wasser geschützt."
Die Kähne sind aber auch im Alltag wichtig für viele Bewohner des Spreewalds: In Gegenden, in die kein noch so schmaler Weg von einer der Hauptstraßen aus hinführt, holt die Müllabfuhr den Müll mit Kähnen.
Auch die Polizei ist dann auf den Wasserweg angewiesen, und die Post kommt ebenfalls mit einem - gelben - Kahn und wird an jedem Grundstück in Briefkästen am Ufer eingeworfen.
Doch auch für Bauarbeiten an den Häusern und für die Ernte auf den Feldern sind Kähne wichtig, die schwere Lasten tragen können. Damit können Heuberge und sogar Traktoren über die verzweigten Spree-Arme transportiert werden.
Bekannt sind die Gurken, für die der Spreewald weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt ist. Vor allem Lübbenau gilt dabei als "Stadt der Gurken", deren Gurken-Einlegereien oft eine mehr als 100 Jahre alte Tradition haben. Wer mag, kann einem der ausgeschilderten Radwege wie der "Lübbenauer Gurkentour" folgen und mehr über die Spreewaldgurke und den Anbau der Gewürzkräuter erfahren.
Information: Tourismusverband Spreewald, Lindenstraße 1, 03226 Vetschau, Telefon 035433/72299, E-Mail: tourismus@spreewald.de