Studenten zeigen ihre Stadt - Mit dem Rad durch Groningen
Groningen (dpa/tmn) - Groningen im Norden der Niederlande ist bei Studenten sehr beliebt - und bei Fahrradfahrern auch. Das passt ganz gut zusammen. Etliche deutsche Studenten sind dort inzwischen als Stadtführer unterwegs, oft auf dem Fahrrad, so wie Lukas Müller.
Groningen ist eine Stadt wie gemacht für Fahrradfahrer. Das ist einer der Gründe, warum Lukas Müller hier praktisch nie mit dem Auto unterwegs ist. Der Deutsche, der an der Uni in der Stadt im Norden der Niederlande studiert, kommt auch auf zwei Rädern überall hin, wo er hin will. Und regelmäßig nimmt er Touristen dabei mit. Lukas Müller ist einer von den deutschen Studenten, die als Stadtführer jobben, je nach Wunsch zu Fuß oder per Rad.
Müller studiert Kunst und Medien an der Rijksuniversiteit. Sie ist eine der ältesten der Niederlande, allerdings nicht die einzige Hochschule der Stadt - an allen zusammen sind rund 50 000 Studierende eingeschrieben. „Zehn Prozent kommen aus Deutschland“, schätzt Lukas. Dass es den deutschen Studenten so gut gefällt, hat sich herumgesprochen. Und so sind Groningens Touristiker auf die Idee gekommen, sie als Stadtführer loszuschicken. Müller, der seit drei Jahren in Groningen studiert, gehörte 2010 zu den ersten.
Fast überall in Groningen sind Radfahrer unterwegs, mitten in der Stadt oft zu dritt nebeneinander. Sie flitzen am Groninger Museum genauso vorbei wie am „Alten Grauen“, wie der Turm der Martinskirche genannt wird. Er ragt neben der Tourist-Info in den Himmel, wo Lukas Müller zu seinen Touren aufbricht. Hier am Grote Markt reiht sich Café an Café und Restaurant an Restaurant. Sobald das Wetter es zulässt, stehen Tische und Stühle auf dem Pflaster. Und die Radfahrer sausen an den Groningern vorbei, die es sich dort gemütlich machen. Auch am nahen Vismarkt vor der säulenumsäumten Fassade der Kornbörse parkt eine Armada von Rädern. Selbst am Coffeeshop „De Vliegende Hollander“ am Zuiderdiep hat gerade jemand sein Rad angelehnt.
Lukas zeigt bei seiner Führung natürlich seine Universität, fährt zum Campus am Stadtrand, wo etliche der modernen Uni-Gebäude sind. Noch bekannter ist der Teil der Hochschule im Zentrum. Das Akademiegebäude im Neorenaissance-Stil stammt allerdings erst vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Gebäude, das die Univerwaltung, aber auch ein Restaurant beherbergt, ist öffentlich zugänglich.
Im Harmoniegebäude sind die Rechts- und die Geisteswissenschaften untergebracht. Vor der klassizistischen Fassade steht eine Büste, die Aletta Jacobs zeigt. Sie war die erste Frau, die in den Niederlanden studieren durfte. Sie wurde 1854 in Groningen geboren und stammte aus einer jüdischen Familie. Ein jüdisches Viertel gab es rund um die Folkingstraat, in der sich heute viele Boutiquen und Antiquitätenläden finden.
Juden lebten dort bis in die 1940er Jahre, als die Deportationen in die Vernichtungslager begannen. „Viele Kaufleute haben hier damals gewohnt“, erzählt Lukas. „Hier, dieser Laden war eine jüdische Pferdemetzgerei.“ Auch die Synagoge im maurischen Stil befindet sich am Ende der Straße. In der Wand gegenüber ist eine Tür aus Bronze zu sehen - ohne Griff. „Sie lässt sich nicht öffnen und symbolisiert die Vergangenheit, die sich nicht ungeschehen machen lässt“, erklärt Lukas.
Von der Folkingstraat sind es nur ein paar Minuten zur Heerestraat. Zum Shoppen kommen auch viele Deutsche hierher. Aber Shoppen ist nur das eine. Groningen gilt als ausgesprochen junge Stadt. Entsprechend groß ist das Angebot für alle, die nicht gern früh schlafen gehen. Gefeiert wird natürlich am Grote Markt, bei den drei Geschwistern zum Beispiel, den „Dri Gezusters“. Dort gibt es so viele Theken, dass man schon durcheinanderkommen kann. „Das ist so groß, ich habe mich da schon ein paar Mal verirrt“, gibt Lukas zu.
Die Peperstraat ist ein weiterer Hotspot für Partygänger. Früher war hier der Pferdemarkt. Heute reiht sich hier die Brasserie ans Filmtheater-Café und daneben eine Kneipe an die andere. „Die ganze Straße besteht aus Bars und Clubs“, sagt Lukas. Das Pepergasthuis dagegen hat eher etwas Meditatives und ist vielleicht der richtige Ort, um nach einer langen Nacht wieder zur Besinnung zu kommen: Es ist eine der ältesten Pilgerherbergen der Stadt. Hier stehen Besucher vor den Fassaden von Häuschen, die einen ausgesprochen lauschigen Eindruck machen. In dem überschaubaren Innenhof ist die Welt draußen weit weg, Bars und Clubs sind vergessen. Nicht mal eine Fahrradklingel ist hier zu hören.