Reisebericht Texel — kreativ und köstlich

Der Strand ist leer, die Lämmer sind erst wenige Tage alt, die Narzissen blühen. Der Frühling ist die schönste Zeit auf der Insel.

Foto: Daniela Kebel

Bislang ging Urlaub auf Texel so: Runter von der Fähre, schnell zum Ferienhaus oder Hotel, Auto parken und bis zur Abfahrt nicht mehr darin sitzen. Stattdessen ab aufs Fahrrad! Obligatorisch waren Fahrten durch die kleinen Waldstücke, die vor und zwischen den Dünen liegen, und durch die hübsche weiße Muschelwege führen. Ebenso zum Leuchtturm an der Nordspitze der Insel. Das Wahrzeichen ist erklimmbar, im Restaurant daneben herrscht ständig Hochbetrieb. Montags ist Markt in Den Burg, da wurden Körbe auf dem Gepäckträger befestigt und erstmal eingekauft.

Wer an den Strand wollte, zog seine Gummistiefel an und strampelte durch die Hügel der Dünen dorthin. In den Catharinahoeve ging es zum Abendessen auf dieselbe Weise: Dicke Jacke, Handschuhe, Schal und los. Diesmal ist alles anders. Es ist stürmisch und eisig kalt, obwohl der blaue Himmel Sommer vermuten lässt. So oft bin ich gegen den Wind gestrampelt und am Ende meiner Kraft zurückgekommen. Manchmal hab ich sogar das Rad geschoben oder versucht, im Windschatten von Tandems zu fahren. Aussichtslos.

Auf dem Weg zum Radverleih fälle ich darum die Entscheidung: Texel ohne Fahrrad. Geht das überhaupt? Komisch ist es auf jeden Fall, so ziemlich alles zu Fuß zu machen. Vom Hotel aus durch den kleinen, hübschen Ort De Koog zu laufen, dahinter dann die steile Rampe hoch auf die erste Dünenreihe. Die ist tatsächlich als Fußgänger einfacher zu bewältigen, als mit den Rädern, die oftmals nur drei oder höchstens fünf Gänge besitzen. Oben angekommen: Dünen, soweit der Blick reicht. Hellgrün glänzen die langen Grashalme, vom Wind gebogen werden sie in wenigen Wochen Brutstätte zahlreicher Küstenvögel sein.

Die wenigen teuren Hotels und Apartments der Insel stehen auf der nächsten Dünenreihe, bieten zum Teil Zimmer mit direktem Meerblick. Unten, in den Dünen, liegt windgeschützt ein Campingplatz — jetzt noch außer Betrieb, findet man dort im Sommer kaum noch ein Plätzchen für sein Zelt. Noch eine asphaltierte Rampe hoch und schon sieht man das Meer.

Der Strand ist gigantisch breit. Es ist Ebbe und die Nordsee hat sich weit zurückgezogen. Kaum an den Strandrestaurants vorbei, packt der kalte Wind zu. Mütze auf und Reißverschluss zu! Tapfer wird mit festen Schuhen oder Gummistiefeln durch den weichen Sand gestapft, am besten mit Rückenwind. Alle paar hundert Meter gibt es Aufgänge, die wieder zurück in die hügelige Dünenlandschaft führen.

Während De Koog der Touristenort der Insel ist und hauptsächlich mit Restaurants, Bars und Cafés lockt, ist der Ortskern in Den Burg eine Mischung aus schon immer Dagewesenem und immer wieder neuen Läden. Kleine Boutiquen wechseln hin und wieder, doch Bäckerei Timmer, Bekleidungsplatzhirsch Mantje und einige andere haben seit Jahrzehnten ihren festen Platz. Auch Kees de Waal mit seinen unfassbaren Mengen an Möbeln, Geschirr, Souvenirs, Deko- und Holzartikeln ist schon ewig in dem Eckhaus Binnenburg. Verwinkelte, winzige Stiegen führen in verschiedene Etagen, jede vollgestopft mit allem, was man sich nur vorstellen kann oder noch nie gesehen hat. Ein Paradies für Raritätensammler.

Doch der Blick in die winzigen Designer-Boutiquen des Ortes lohnt sich. Zum Beispiel bei Wilt & Woest. Wilma Pieters berät Kunden, die sich von ihr eine Handtasche anfertigen lassen wollen. Dazu geht es ins Obergeschoss des schmalen Geschäfts, wo die Leder-Muster liegen. Für Material, Farbe und Form entschieden, wartet unten eine beachtliche Sammlung Nieten, Schnallen und anderer Zierelemente. „Jeder kann die Tasche nach seinen Wünschen anfertigen lassen“, sagt Pieters, die mit Ali Ter Steege gemeinsam das Geschäft führt. Natürlich gibt es auch zahlreiche fertige Stücke, die Kunden direkt kaufen können. Zum Beispiel Lederarmbänder mit Kugeln oder Farbsteinen.

Rund um die Stadt gibt es vor allem Landwirtschaft. Und die besteht in erster Linie aus Schafen: Bettdecken, Kissen, Satteldecken, Handschuhe und Pantoffeln aus Schafswolle oder gleich die ganzen Felle als Sitzbezüge oder Teppichersatz, Schafskäse und — jetzt zur Osterzeit — vor allem Lammfleisch. Auf eine lange Tradition des Käses ist man in der Kaasboerderij Wezenspyk stolz. Seit 1982 gibt es die Käserei bereits, damals begann der Betrieb jedoch ausschließlich mit Kuhmilch. Ein Jahr später kam die Schafsmilch dazu, die Milch wurde damals wie heute von den Nachbarhöfen geholt. „Nächstes Jahr wollen wir zum ersten Mal selbst Schafe melken“, sagt Betriebsleiter Erik van Es. Dafür grasen derzeit neue, eigene Schafe auf den Weiden ringsum den Hof. Zwölf Mitarbeiter kümmern sich um Milch und Käse, der etwa eine Tag Arbeit bedeutet, bis er in der Form landet und gepresst wird.

Am nächsten Tag schwimmt er im Salzwasser und kommt danach ins Lager, in dem er ständig gewendet werden muss, damit er nicht schimmelt. „Wir probieren immer neue Geschmacksrichtungen aus“, erklärt Erik. Zum Beispiel kommen Brennnessel, Bockshornklee oder Bier hinein. Etwa 40 000 Kilo Käse warten bei Wezenspyk auf ihr richtiges Alter, das irgendwo zwischen sechs Wochen und 3,5 Jahren liegt. Für diese insgesamt mehr als 25 verschiedenen Sorten verarbeitet der Betrieb 800 000 Liter Milch im Jahr. Das Geschäft findet hauptsächlich auf Texel statt, Touristen und Einheimische sind dabei jeweils zu 50 Prozent die Abnehmer. „Die Qualität muss immer hoch bleiben“, weiß Erik, „dann kommen die Leute auch wieder.“ So kann es sein, dass nicht alle Käse jederzeit zu haben sind. „Aktuell haben wir keine kleinen Schafskäse. Die Lämmer trinken die meiste Milch und was übrig bleibt, verwenden wir.“ Und daraus können eben zu bestimmten Zeiten nur wenige große Käse hergestellt werden, damit möglichst kein Abfall entsteht.

Doch auch traditionelle Betriebe wie die Käserei suchen immer neue Wege, auf sich aufmerksam zu machen. So hat im vergangenen Jahr das Käsecafé direkt neben dem Hofladen eröffnet. An rustikalen Holztischen draußen oder drinnen gibt es Käseplatten mit den verschiedenen Sorten, immer samstags außerdem Käsefondue. Gemüsestücke dippen die Gäste dabei in heißen, geschmolzenen Käse — lecker, aber nicht gerade die leichteste Mahlzeit zwischendurch. Die Autorin reiste mit Unterstützung des VVV Texel.