Karibik Trinidad und Tobago: Wenn die Steel Pans erklingen

Weiße Strände und türkisfarbenes Meer sollten Urlauber auf Trinidad und Tobago nicht erwarten. Stattdessen Regenwald, einen Asphaltsee und Steel Pans. Karibik nicht wie aus dem Bilderbuch, sondern authentisch.

Trinidad. Noch ist es still im Steelyard, einer großen Halle mit einfachem Betonboden und hell strahlenden Neonröhren an der Decke. An einer Wand hängt eine dunkelgrüne Tafel, mit Kreide ist das Programm darauf geschrieben. Es ist später Abend, Mücken schwirren, ein paar Nachtfalter verirren sich zum Licht. Vor einer Gruppe von etwa 20 Leuten steht ein Dirigent, hebt beide Hände zum Auftakt. Dann ertönen leise Klänge. Melodisch, einem Xylophon ähnlich und mehrere Oktaven umfassend. Anschwellend in einem dramatischen Crescendo, um gleich darauf wieder abzufallen in kaum hörbare Töne, gespielt von jungen, motivierten Musikern auf ihren Steel Pans.

Foto: Daniela Kebel

Stahlpfannen, auf denen an diesem Abend ein beeindruckendes Repertoire gespielt wird mit Musicalshits aus Cats, Stücken von Tschaikowsky und als Finale furioso: Chatschaturjans Säbeltanz. Wie ein voll besetztes Orchester klingen die Steel Pans, die Musiker sind voll konzentriert, spielen alles auswendig. Das Publikum ist ergriffen, Gänsehaut.

Hier auf Trinidad sind die Steel Pans zu Hause: Große, runde Metallpfannen, deren Innenseite und Boden aus feinen Blechen bestehen. Die Musiker schlagen mit kleinen Schlegeln auf die einzelnen Felder und erzeugen so die unterschiedlichen Töne. Sie sind das Nationalinstrument der karibischen Inseln. Traditionell wurde auf ausrangierten Ölfässern getrommelt, denn wirtschaftlich hing schon früh alles am Erdöl — Fässer gab es genügend. Nach Kriegsende ertönten die Steel Pans häufig bei offiziellen Feierlichkeiten und vor allem beim Karneval. Bis heute prägt die Musik der einstigen afrikanischen Sklaven das Leben auf Trinidad und Tobago.

Doch das ist nicht das einzig Sehenswerte auf Trinidad, der Insel, die zusammen mit Tobago den gleichnamigen Staat bildet. Nur wenige Kilometer vor der Küste Venezuelas gelegen, herrscht dort die typische karibische Gelassenheit. Das Tempo ist langsam, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit sind hoch. Heftige Regengüsse, die ohne Vorwarnung über die Inseln fegen, sind an der Tagesordnung. Dann verschwindet für kurze Zeit das Blau am Himmel, es gießt wie aus Eimern.

Nach wenigen Minuten ist es vorüber und die Sonne macht sich in dampfender Hitze Platz. „Deswegen ist es so schön grün hier“, sagt Reiseleiter Biki und zeigt auf gigantisch große Bambusse. Mit zwei Händen lassen sich ihre Stämme nicht umfassen, meterhoch ragen sie aus dem Dickicht des Regenwaldes empor. Eine Wanderung durch den tropischen Wald ist zwar schweißtreibend, sollte aber auf jedem Trinidad-Programm stehen. Hauptsächlich als ruhiger Kontrast zur lebendigen Hauptstadt Port of Spain mit all ihren Festivals, Veranstaltungen und dem täglichen Verkehrschaos.

Das Asa Wright Nature Center liegt im Norden der Insel, weit entfernt von jeglichem Lärm der Stadt. Enge Serpentinen winden sich hinauf zu dem ehemaligen Kolonialhaus, das sich majestätisch aus dem weitläufigen Schutzgebiet erhebt. Knarrende, polierte Holzdielen führen durch das Anwesen, Fotos an den Wänden erinnern nicht nur an die Besitzerin Asa Wright, sondern auch an prominente Besucher, wie beispielsweise Prinz Charles und Camilla. Verschiedene Wanderrouten führen durch den Dschungel, der einst eine Plantage war. Wer will, kann in dem ehemaligen Kolonialhaus auch übernachten.

Ebenso sehenswert, wenn auch ein ungewöhnliches Ausflugs-ziel, ist der Asphaltsee „Pitch Lake“ im Südwesten von Trinidad. Mit mehr als 40 Hektar ist er eine riesige natürliche Asphaltquelle und bis zu 100 Meter tief. Wie aus einem Vulkan fließt dort heißer Asphalt, der ölige Geruch hängt schwer über der schwarzen Fläche. Es bilden sich Muster aus Bitumenwülsten, Rinnsalen und Löchern, aus denen winzige Gasblasen steigen. Der Regen hat in den Senken große Pfützen hinterlassen, manche sind eher kleine Teiche.

Ein Guide geht voran, zeigt den Besuchern den sichersten Weg bis zur Mitte des Geländes. Mit Flip-Flops und hochgekrempelten Hosenbeinen schlurft die Gruppe vorsichtig durch das teilweise knietiefe Wasser, das angenehm warm ist von Sonne und heißem Untergrund. Wer lange auf einem Fleck steht, sinkt ein. An manchen Stellen lässt sich zählflüssiges Bitumen einfach aus dem Boden holen: Es klebt an einem Stock wie Honig.

Nur 15 Minuten dauert der Flug nach Tobago, der kleinen, ruhigen Nachbarinsel. Dort ist „limen“ angesagt: das entspannte, genussvolle Leben. Die Menschen dort sind gelassen und freundlich, scheinen keine Hektik zu kennen. Rumpunsch fließt in Strömen, Marihuana-Wolken schweben über den Stränden und durch die engen Straßen der Städte. Rund 60 Prozent der Insel stehen unter Naturschutz, der Rest teilt sich in kleine Städte, Strände, Taucher-Hotspots, Berge und Wälder.

„Es gibt nur 2700 Hotelzimmer auf der Insel“, sagt Biki. Wirklicher Tourismus entwickelt sich bislang nicht. Tobago ist hauptsächlich ein Ausflugs- und Urlaubsziel für die Bewohner von Trinidad, auch wirtschaftlich spielt der Tourismus keine große Rolle. Tobago hängt am Tropf der großen Schwester und deren Erdöl- und Erdgasförderung.

Auch das Karibische Meer auf der Westseite Tobagos ist nicht türkis und der Sand nicht weiß. Der beliebteste Strand „Pigeon Point“ an der Südspitze der Insel bietet zwar Beach-Bars und eine Bucht zum Baden, doch ist er eher ungepflegt. Glasscherben und Flaschen finden sich ebenso im Sand wie Plastikteile und Autoreifen. Das Höchstmaß an Luxus auf Tobago sind Vier-Sterne-Hotels.

Keine Karibik für Einsteiger also, die eine Urlaubswelt wie aus dem Katalog erwarten. Tobago ist eher etwas für Kenner, die abseits von All-inclusive-Resorts und Bacardi-Werbespots unverfälschte Landschaften und authentische Einheimische erleben wollen. Kein „happy welcome“ für Touristen am Flughafen, sondern unaufgeregte Normalität. Kein Paradies für Honeymooner, sondern eher eines für Alt-Hippies und Aussteiger mit Rastalocken, die keine frisch geharkten Strände brauchen. Aber genau dies macht das besondere Flair aus. „Limen“ auf Tobago — entspannend.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Meier’s Weltreisen.

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