„Urlauber können gefahrlos reisen“
Eine Ansteckung mit Ebola hält das Centrum für Reisemedizin bei Touristen für nahezu unmöglich.
Düsseldorf. „Niemand muss seine Afrikareise wegen Ebola absagen.“ Klare Worte von Prof. Tomas Jelinek vom Centrum für Reisemedizin in Düsseldorf und Berlin. Grundsätzlich sieht der Mediziner kaum eine Möglichkeit, dass Urlauber sich mit dem Virus infizieren können. Seine wichtigsten Empfehlungen: „Keine Panik, kein Bushmeat essen, Flughunde meiden und keinen Körperkontakt mit einem erkrankten Patienten.“
Eine Reisewarnung wegen Ebola für ein Land auszusprechen, ist laut Tomas Jelinek nicht notwendig. „Natürlich hat beispielsweise Liberia jetzt durch den starken Ausbruch der Krankheit viele Probleme, die das Reisen in diesem Land schwierig machen.“ Zum Beispiel Straßensperren und die Militärpräsenz. „Vor Ort sind alle mit der Situation überfordert, deswegen ist es zurzeit nicht ratsam, seinen Urlaub dort zu verbringen“, sagt Jelinek. In angrenzenden Ländern, in denen das Ebola-Virus nicht ausgebrochen sei, bestehe keine Gefahr. So seien beliebte Reiseländer wie Namibia, Botswana und Sambia gar nicht betroffen. Auch, wenn ein Erkrankter in einem dieser Länder behandelt werde, bestehe kein Risiko. „Außer Ärzten und medizinischem Personal kommt ja niemand mit ihm in Kontakt“, sagt Jelinek.
Während der Inkubationszeit, die zwischen zwei und 21 Tagen dauern kann, sei zudem niemand ansteckend. Das bedeutet: Wer im Flugzeug oder im Bus neben jemandem sitzt, der keinerlei Symptome hat, braucht keine Angst vor Ansteckung zu haben. „Patienten sind erst ansteckend, wenn sie anfangen zu bluten. Und dann muss dessen Blut, Erbrochenes, Stuhl, Urin oder Schweiß in Berührung mit den eigenen Schleimhäuten kommen, um die Krankheit zu übertragen. Das ist für Urlauber ein verschwindend geringes Risiko.“ Werde man angehustet oder angeniest, passiere nichts. Wichtig sei, sich beim Sex zu schützen: Denn das Sperma der Männer, die die Krankheit überstanden haben, bleibt noch monatelang infektiös.
Tomas Jelinek
Dass sich das Virus so stark ausbreitet, liegt vor allem an den Bestattungsriten in Westafrika. Wenn jemand stirbt, muss er durch Umarmungen und Küsse verabschiedet werden, damit sein Geist gehen kann. „Die Wichtigkeit dieses Rituals haben wir unterschätzt, deswegen kamen auch die Aufstände gegen das medizinische Personal zustande, als die Patienten und Toten isoliert wurden“, sagt Tomas Jelinek. Das Problem: Die Angehörigen müssen sich schnell nach dem Tod verabschieden und infizieren sich bei dem Kontakt. Ein paar Stunden später wäre das Virus nicht mehr lebensfähig oder übertragbar.
Das derzeitige Ebola-Virus gehört zum fünften Stamm und hat eine Todesrate von etwa 50 Prozent aller Erkrankten. Es gibt fünf verschiedene Stämme, ihre Nummerierung erfolgt chronologisch seit den 70er Jahren, als Ebola entdeckt wurde. Die schlimmsten Ebola-Viren haben eine Sterberate von rund 90 Prozent der Infizierten. Angesichts der mehr als 2500 Toten aktuell ist es für Laien schwer zu verstehen, dass „aus virologischer Sicht Ebola keine effektive Seuche“ ist. Aber: Die Übertragungswege sind begrenzt und Viren vertragen das Austrocknen nicht. „Was dramatisch aussieht, ist nicht unbedingt auch am gefährlichsten“, weiß der wissenschaftliche Leiter des Instituts.
Für Ärzte und Pfleger bestehe ein erhöhtes Risiko wegen fehlender Einwegmaterialien wie Handschuhen, Masken und Kittel. Auch, weil die Arbeit in den Schutzanzügen anstrengend und schweißtreibend ist. „Länger als vier Stunden in den Schutzanzügen zu arbeiten, ist beinahe unerträglich. Außen auf den Kitteln sind Blut und andere Körperflüssigkeiten der Patienten. Dann zieht man sich aus, berührt die Außenseite und wischt sich den Schweiß aus den Augen — so infiziert sich das medizinische Personal.“
Gegenmittel? Bis jetzt Fehlanzeige. „Ebola hat bisher niemanden interessiert. Wir haben drei bis vier Ausbrüche jedes Jahr im Kongo, aber das ist für die Pharmaindustrie nicht von wirtschaftlichem Interesse.“ Jetzt wird mit Hochdruck geforscht, aber bis die Medikamente alle klinischen Testphasen durchlaufen haben, dauert es noch Jahre. „Das japanische Grippemittel Avigan könnte recht schnell zum Einsatz kommen, da es bereits zugelassen ist. Es stoppt das Vermehren der Filoviren — zumindest in Mäusestudien.“
Dass die Ursache des derzeitigen Ausbruchs infizierte Flughunde sind, darüber ist sich die Wissenschaft einig. Fledermäuse und Flughunde übertragen neben Ebola auch Tollwut, man muss allerdings in direkten Kontakt mit ihnen kommen, um sich anzustecken.
„Denkbar ist, dass ein Flughund ein Stück Obst angenagt hat, der Rest samt dem infizierten Speichel von einem Affen oder einer Antilope gefressen wurde. Die Tiere erkranken, werden langsamer und sind so leichtere Beute für Jäger. Der Indexfall könnte also ein Jäger gewesen sein, der das Tier geschlachtet hat und sich durch sein Blut infiziert hat. Oder derjenige, der ein Stück halbrohes Fleisch gegessen hat“, fasst Jelinek zusammen.
Neben Affenfleisch wird auch Flughundsuppe verzehrt. „Aber das essen ja die wenigsten Urlauber“, sagt der Mediziner und rät: „Wer seinen Verstand eingeschaltet lässt, kann gefahrlos durch Afrika reisen.“