Wattens in Tirol: Wo es glitzert und blinkt
Der kleine Ort Wattens in Tirol hat einen Touristenmagneten: Die Kristallwelten, die ein steinerner Riese bewacht.
Ein leichter Wind weht durch das Inntal. Sachte schaukeln Kristalle in der Brise. Die Wintersonne bricht sich in den Facetten und lässt die Steine in allen Regenbogenfarben leuchten. Im schwarzen Teich darunter spiegeln sie sich vor der Kulisse der Tiroler Bergwelt. 800 000 Kristalle sind es, die in einer riesengroßen Wolke aus Draht zusammengefasst sind. Jeder Einzelne von ihnen wurde von Hand in das Geflecht eingehängt.
Einige Meter weiter strömt ein Wasserfall aus dem Mund des eingeschneiten Riesen aus Stein und entführt den Besucher in eine Wintermärchenwelt. Zwei Türen am Fuß des Felsens führen in die Wunderkammern der Swarovski Kristallwelten. Vorbild waren die Kunstkammern auf Schloss Ambras in Innsbruck, die aus dem 16. Jahrhundert stammen. Schon allein die räumliche Nähe sorgte dafür, dass sich die Kristallwelten am berühmten Vorbild orientierten.
Jetzt, zum 20-jährigen Bestehen, wurden die Wunderkammern noch einmal erweitert. In jeder einzelnen Kammer haben Künstler und Designer ihre ganz eigene Idee aus Kristall verwirklicht. Besucher betreten diese Welt durch die blaue Kammer. Dezent beleuchtet finden sich dort Werke weltberühmter Künstler wie Salvador Dalí, Niki de Saint Phalle, John Brekke und Andy Warhol, die zu Lebzeiten bereits mit Swarovski-Kristallen gearbeitet haben. Herzstück ist der sogenannte Centenar, mit mehr als 310 000 Karat (62 Kilogramm) der größte handgeschliffene Kristall der Welt.
Weiter geht es ins mechanische Theater. Schaufensterpuppen erwachen zum Leben, führen ungelenk Tänze auf. An der Decke schweben weiße Hemden als eine Art skurrile Fashionshow. Hier stehen weniger die Kristalle im Vordergrund als die Technik. Die Feinmechanik ist das Besondere.“ Was kaum jemand weiß: Die Kristalle machen nur einen kleinen Teil des Unternehmens aus. Der Schwerpunkt liegt auf optischen Präzisionsgeräten, Schleifmitteln und Reflektionselementen für den Straßenverkehr.
Die Touristen freilich kommen wegen Glitzer und Glamour nach Wattens — an 365 Tagen im Jahr. Die Kristallwelten haben an Heiligabend und Weihnachten, Silvester und Neujahr geöffnet. Die Besucher kommen aus aller Welt, für viele gelten die Feiertage nicht, und sie hätten vermutlich wenig Verständnis dafür, vor verschlossenen Türen zu stehen.
Seit der Eröffnung der Kristallwelten 1995 haben zwölf Millionen Menschen aus 60 Ländern die Mischung aus Park und Kunstmuseum besucht. Der 34 Millionen teure Umbau in den vergangenen beiden Jahren hat die Fläche von 3,5 auf 7,5 Hektar mehr als verdoppelt. Neu ist auch die Kammer „Silent Light“, die die Besucher mit einem Christbaum aus Kristallen, leiser Musik und Schneeflocken in Weihnachtsstimmung versetzt.
Durch die Eisgasse geht es zur nächsten Kammer. Ein leerer Gang? Nein. Wo immer der Besucher seinen Fuß aufsetzt, entstehen kristalline Spuren. Der Weg ist ein großes Touchpad. Noch faszinierender als der Gang ist es, zu sehen, mit wie viel Spaß selbst Erwachsene immer neue Fußabdrücke produzieren. Neben realen Kristallen bietet das Museum auch Licht- und Projektionsinstallationen.
In jeder Kammer hört man staunende Ausrufe. Im Kristalldom, der die Besucher via Spiegeltechnik in das Innere eines Kristalls versetzt, winken sie ihren Spiegelbildern zu. Im Kristallwald lauschen sie den Geräuschen der Elemente, dem Knistern des Feuers, dem Plätschern des Wassers. Zurück an der klaren Winterluft scheint der Besuch in den Wunderkammern ein bisschen unwirklich. Nur die Kristallwolke mit ihren schimmernden Steinen erinnert noch einmal an das Glitzern und Blinken innerhalb der Wunderwelt.
“ Die Autorin reiste mit Unterstützung der D. Swarovski Tourism Services.