Wilde Wasserrutschen: Freefall, Cannonball und Looping im Trend

Rasdorf (dpa) - Auf die Rutsche, fertig, los! Wasserrutschen sind die Spaß-Bringer in Schwimmbädern. Der deutsche Marktführer kommt aus Hessen und kreiert immer abgefahrenere Modelle. Höher, länger und spektakulärer lautet die Devise.

Die schöne, neue Wasserrutschen-Welt wird immer rasanter. Cannonball-, Freefall- und Looping-Rutschen sind die neuesten Trends und ziehen abenteuerlustige Badegäste in ihren Bann. „Die Adrenalin-Junkies wollen immer abgefahrenere Rutschen“, berichtet Hendrik Wiegand, Geschäftsführer beim größten deutschen Wasserrutschen-Hersteller. Die Firma Wiegand Maelzer produziert im osthessischen Rasdorf und hat ihren Vertrieb im bayerischen Starnberg.

Kaum ein Schwimmbad kommt mehr ohne Wasserrutsche aus. Vor allem, wenn es sich über den Spaß definiert. Der Geschäftsführer der European Waterpark Association, Klaus Batz, sagt: „Die Rutschen und der Thrill-Faktor sind mittlerweile zentrales Thema in vielen Bädern. Das zieht Besucher an, vor allem junge Leute. Das Angebot hat sich enorm vergrößert. Es gibt laufend Innovationen.“ In den vergangenen Jahren seien Hunderte neuer Rutschen in Deutschland gebaut worden. „Auf manchen hat man ähnliche Erlebnisse wie auf einer Achterbahn.“

Besonders im Sommer suchen Badegäste den Nervenkitzel und stürzen sich schwungvoll hinab. Die Rutschen werden immer spektakulärer. „Der Bedarf an verschiedenen Rutschen-Typen, immer neuen Formen, ist gewachsen“, berichtet Geschäftsführer Wiegand. Das Unternehmen verkauft pro Jahr rund 30 Rutschenanlagen ins In- und Ausland. Die Firma habe einen Marktanteil von 40 Prozent in Deutschland. In Europa sei sie die Nummer zwei hinter dem türkischen Anbieter Polin.

Das Unternehmen ist auch einer der Pioniere beim Bau von Wasserrutschen. Die Hessen waren unter den ersten Herstellern, die Edelstahl verwendeten. Seit dem Verkauf der ersten Wasserrutsche 1981 wurden mehr als 500 Exemplare weltweit verkauft, entweder aus Edelstahl oder glasfaserverstärktem Kunststoff. „Edelstahl hält länger, ist die hochwertigere Variante und vor allem für Freibäder perfekt“, erklärt der 49-Jährige. Veredelt werde das Rutschen-Erlebnis zunehmend von Spezialeffekten. Es gibt (LED-)Beleuchtung in den Rutschen, Sound und Wassernebel.

„Wiegand produziert mit die interessantesten Rutschen in Deutschland“, findet Julian Tschech. Der 20-jährige angehende Student aus Velbert in Nordrhein-Westfalen ist ein umtriebiger Wasserrutschen-Tester. Er hat nach eigenen Angaben in vier Jahren 600 Exemplare im In- und Ausland ausprobiert. Seine Tests dokumentiert er mit Fotos und Videos. Die Ergebnisse präsentiert der junge Mann auf seiner Internetseite tuberides.de. Tschech liebt Looping- und Turborutschen, in denen er die Fliehkräfte besonders intensiv spürt. Abgefahren seien auch Rutschen mit einem Falltür-Start in einer Kapsel.

Eines der Paradiese für Wasserrutschen-Fans in Deutschland ist die Galaxy Therme in Erding bei München. Es ist laut Hersteller Wiegand Maelzer Europas größter Indoor-Aquapark mit rund 20 Rutschen (Gesamtlänge 1700 Meter), darunter auch die längste Röhrenrutsche des Kontinents mit 356 Metern. Beliebt ist auch das Tropical Island: In dem Freizeitpark in Krausnick in Brandenburg steht Deutschlands höchster Rutschenturm. Wer von dem 25 Meter hohen Turm hinabrauscht, kann bis zu 70 Stundenkilometer schnell werden.

Die höchsten Wasserrutschen Europas stehen in Lazise am Gardasee in Italien. Die L-förmigen Stukas beginnen auf einem 32-Meter-Turm und sind bis zu 75 Grad steil. Ein Eldorado für Rutschen-Fans ist die Area 47 im österreichischen Ötztal. Dort steht auch eine atemberaubend steile Freefall-Rutsche, auf der man Tempo 80 erreichen kann. Es gibt auch eine Freestyle-Wasserrampe, die man mit Boards nutzt.

Der neueste Schrei auf dem Markt ist der Cannonball. Er steht, von Wiegand Maelzer konzipiert, im Freibad am Flötenteich in Oldenburg und im Area 47. Dabei wird man von einer gewaltigen Wassermasse ins Becken katapultiert. Die Anlage hat die Form einer überdimensionalen Pfeife. Wagemutige setzen sich in den Pfeifenkopf und werden von 1500 Litern Wasser mit einem Druck von 1,2 Bar etwa acht Meter weit ins Becken geschleudert - der Mensch als Kanonenkugel. „Das ist etwas ganz Besonderes“, beurteilt Rutschen-Tester Tschech. „Der Mensch wird zum Spielball der Wassermassen“, so Wiegand.

Für Wiegand sind der deutschsprachige Raum, Skandinavien und Osteuropa die besten Absatzmärkte. Das Unternehmen macht mit 220 Mitarbeitern rund 25 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Die größten Konkurrenten im deutschen Sprachraum sind die Firmen Aquarena und Klarer. Global sind es Whitewater und Proslide aus Nordamerika.

Neue Rutschen in der Entwicklungsphase zu testen, ist für Hendrik Wiegand auch Chefsache: „Da ziehe ich selbst gern die Badehose an.“ Der zweifache Familienvater mag neben dem Cannonball vor allem Reifenrutschen. „Die haben großen Unterhaltungswert für Familien. Eltern können im Zweier- oder Dreierreifen mit ihren Kindern rutschen.“