Im südwesten Portugals trefffen sich alljährlich Tierschützer Sagres: Ein Fest für Vogelfreunde
Von Claudia Kasemann
Da! Ein Kappensturmtaucher“, ruft Ricardo und steuert sein Boot näher zu dem Schwarm Seevögel, der sich in den Atlantikwogen begeistert über das ausgeworfene Futter hermacht. „Seht Ihr ihn? Vorn, links!“ Sofort richtet sich ein halbes Dutzend großer Teleobjektive auf einen braun-weiß gefiederten Vogel zwischen vielen Möwen, und die Vogelbeobachter an Bord der Yacht „Hyperodon“ lassen sich von der Begeisterung des Kapitäns anstecken: „Den habe ich schon lange nicht mehr gesehen!“
Die Exkursion vor der Küste ist nur eine von vielen Veranstaltungsangeboten des großen Birdwatching Festivals im portugiesischen Sagres, bei dem es vier Tage lang um Tierbeobachtungen, die Erfassung und das Beringung von Vögeln sowie das Erleben von Natur in der weiten Landschaft am westlichen Ende des Kontinents geht.
Das schönste Ende oder der Anfang Europas?
Wobei - ist Sagres nun das schönste Ende oder doch der Anfang Europas? „Europe starts here!“, heißt es nämlich am Eingang zur mächtigen Fortaleza de Sagres, der auf einer 1000 Meter langen und 300 Meter breiten Landzunge gelegenen Festungsanlage außerhalb der Stadt. Heinrich der Seefahrer (1394 - 1460) etablierte an diesem stürmischen Ort sein Basislager - quasi die Kommandobrücke der ersten Entdeckungsfahrten des 15. Jahrhunderts und somit der frühen Vorhut der kolonialen Expansion Europas. In einer Multimedia-Schau lässt die geschichtliche Bedeutung Heinrichs und der portugiesischen Karavellen nachvollziehen, ohne auch die späteren dunklen Seiten von Sklavenhandel und Gier nach Gewürzen und Gold auszusparen.
Von den Zinnen der Festung weitet sich Blick hinüber zum Cabo São Vicente und davor auf die sonnengelbe Sandbucht der Praia do Beliche, nur einem von zahlreichen wunderschönen und weitläufigen Stränden der Region. Viele Algarve-Besucher sind Stammgäste, besonders Deutsche und Briten lieben Portugal. Ein Engländer unter den Veranstaltungs-Teilnehmern kommt schon über 30 Jahre her, wie er fast beiläufig erwähnt.
Seit mehr als 14 Jahren treffen sich Vogelfreunde an der äußersten Südwestspitze Europas. Dort sind im Herbst viele Zugvögel zu beobachten, die sich von Portugal und Spanien aus auf dem Weg in ihre Winterquartiere machen.
Birdwatcher aus aller Welt sind ebenso am Start wie Studenten, Wissenschaftler „und unzählige Freiwillige, ohne die das Festival gar nicht möglich wäre“, sagt Sonia Neves von der Vogelschutzinitiative Spea, die zu den Hauptorganisatoren des Festivals mit seinen mehr als 200 Programmpunkten an Land und auf dem Wasser gehört.
Boots-Exkursion:
Scheue Vogelarten ganz nah
Eine wunderbare Möglichkeit, den scheuen Tierarten nahe zu kommen und sie zu beobachten, bietet dabei die Bootstour, 20 Kilometer hinaus auf den offenen Atlantik. Mit an Bord ist an diesem Vormittag Meeresbiologin Aleksandra von der Organisation Mar Ilimitado, die die Vögel mit reichlich Futter in die Nähe der „Hyperodon“ lockt und auf Arten wie besagten Kappensturmtaucher, die Buntfuß-Sturmschwalbe und den Sturmwellenläufer hinweist.
Und nicht nur Vögel lassen sich blicken: Dicht unter der Wasseroberfläche gleitet eine Karettschildkröte elegant durch die See. Fast über das Wasser fliegend begleitet eine Gruppe Delfine das Boot, springt durch die Wellen – und wieder und wieder klicken die Kameras. “Fantastisch“, so die einhellige Meinung der Exkursionsteilnehmer am Ende des dreistündigen Ausflugs.
Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen, denn im stillen Hinterland von Sagres sind in der Nacht Vögel gefangen worden, um sie zu erfassen und mit Ringen auszustatten. Winzig kleine Wesen wie die Dorngrasmücke auf ihren teils tausende Kilometer langen Reisen sollen so besser verstanden werden.
Für viele das Ende:
Jagd auf Vögel in Nordafrika
Für viele Vögel endet die Reise nach Afrika allerdings, bevor sich richtig begonnen hat. Denn auf der anderen Seite, in Marokko oder auch Ägypten, warten unzählige Jäger darauf sie abzuschießen oder zu fangen. Was sie mit den kleinen, wehrlosen Tieren machen, nachdem sie sie umgebracht haben? Zum Teil nichts, ist von frustrierten Vogelfreunden zu hören, zum Teil aber landen sie auch auf Tellern.
Über solches Verhalten sind Vogelfreunde in Sagres und anderswo natürlich nicht glücklich. Sie können nur das ihre tun, um Tiere zu schützen und mit Veranstaltungen wie dem Birdwatching Festival Aufmerksamkeit und Achtsamkeit für viele, teils äußerst gefährdete Tierarten zu schaffen.
Das jüngste viertägige Fest war in diesem Sinne wieder ein echtes Highlight im Veranstaltungsjahr der Algarve. Wer im nächsten Jahr dabei sein möchte, sollte sich den Zeitraum 3.- 6. Oktober 2024 vormerken, diese Rahmendaten stehen schon fest, so die Veranstalter. Informationen im Internet unter: www.birdwatchingsagres.com/en