Digitale Verunsicherung Demokratie, die im Netz nicht herrscht

Schlechte Verfassung im Internet. So sehr sich das Web als Plattform der Basisdemokratie geriert, so wenig ist das Netz selbst demokratisch organisiert. Symptomatisch hierfür ist die ICANN, als Verwaltung zuständig für die Vergabe von Internetadressen und die Zuordnung von IP-Adressen, allerdings ohne staatliche Befugnisse.

Foto: Sergej Lepke

Der letzte Versuch, ihr Leitungsgremium per Direktwahl teilweise direktdemokratisch zu besetzen, fand 2000 statt, und wurde per Satzungsänderung längst ad acta gelegt. Endnutzer sind ausgeschlossen, Wahlen nicht vorgesehen.

Das spricht für sich, nicht aber für das Internet. Wer im virtuellen Territorium lebt, hat keinerlei Mitspracherecht, abgesehen vom selbstbezogenen Geplapper in Blogs, Foren und Kommentaren. Übergreifende Richtlinien erweisen sich als Fehlanzeige, ganz zu schweigen von einer Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative, die Freiheit und Gleichheit im Internet schützt.

Dabei wäre eine demokratische Internetregierung als Gesprächspartner der Staaten durchaus wünschenswert. Eine Interessenvertretung aller Netzbürger. Aber eine Legitimation durch die User wird nicht nachgefragt. Dabei wäre ein Anfang ganz einfach: Verfassungssätze von 140 Zeichen Länge zum Retweet und Wahlen per Smartphone, die einmalige Stimmabgabe kontrolliert durch die IMEI des Geräts. Dass auch Minderjährige die Wahl haben? Kein Problem. Wer ohne Altersprüfung zugelassen wird zur sozialen Selbstentblößung und wertvolle Daten abgenommen bekommt, ohne geschäftsfähig zu sein, der muss nicht ausgerechnet vor freien Wahlen geschützt werden.

Selbst wenn Google und Facebook das Geld und die Kanäle haben, um einen demokratischen Wahlausgang zu ihren Gunsten zu beeinflussen, würde dies zumindest aktuelle Machtverhältnisse sichtbar machen und die Basis einer politischen Opposition fürs Gleichgewicht der Kräfte schaffen. Eine Internetregierung gäbe somit der Web-Gesellschaft die Chance, die Entwicklung jenseits der herrschenden wirtschaftlichen Interessen zu steuern.

So ließen sich auf Dauer User vor kommerzieller Ausbeutung schützen, durch Regeln die Meinungsmache der Netzdienste beschränken, gemeinsam gegen kriminelle Aktivitäten und Attacken im Internet vorgehen und dem Internet eine gute Verfassung geben.