Digitale Verunsicherung Von digitalen Fühlern, die keine Gefühle kennen
Big Brother is (Smart-)watching you. Wir ermitteln unsere Bewegungen mit Smartphones, den Pulsschlag mit Armbändern, die Körpertemperatur mit Smartwatches und die Sauerstoffsättigung des Bluts mit Ohrstöpseln.
EKG-T-Shirts messen unseren Puls-Atem-Quotienten und Bluetooth-Zahnbürsten dokumentieren die Intensität unserer Zahnpflege. Nutznießer sind Verbraucher und Versicherungen: Geld oder Leben. Wer sich überwachen lässt, kassiert Prozente. Selbstkontrolle zahlt sich aus.
Maßgeschneiderte Tarife von der Krankenkasse bis zur Kraftfahrzeugversicherung passen unsere Bedürfnisse ihren Leistungen an, bis wir entweder keiner Risikogruppe mehr zugehören oder ausgeschlossen werden. Wer nichts zu verbergen hat, trägt mit digitalen Armbändern und Fußfesseln und zur Kostensenkung bei: Fuß vom Gas und Hände weg vom Nikotin. Das ist recht und billig, billiger zumindest als der Durchschnitt. Angesichts von Rabattangeboten bewährt sich die Solidargemeinschaft als gesunder Sparer.
Wenn wir etwas tiefer in die Tasche greifen, holen wir ein Mobilgerät der Spitzenklasse hervor. Es zeigt, wie gesund, aktiv und finanzstark wir sind, kennt uns und unsere Lebensumstände. Und es behält dies Wissen nicht für sich, denn schließlich ist es ein Kommunikationsgerät. Es ist das Symptom einer Gesellschaft, die Sensibilität mit Sensorik verwechselt. Einst hielten Adams und Eva Digitaluhren für eine unwahrscheinlich tolle Erfindung. Nun haben den Platz am Handgelenk Smartwatches eingenommen. Wo am Körper wir die Intelligenz tragen, ist egal, solange man sich keine Gedanken darüber machen muss.
Die Automatisierung des Menschen mit ihren leistungsfähigen Sensoren ermöglicht die funktionale Wahrnehmung der Welt. Die technischen Fühler messen, beobachten, identifizieren und begleiten uns im Alltag: Angefangen von Helligkeits-, Feuchtigkeits-, Beschleunigungs- und Näherungssensoren über Kamera und GPS bis zu berührungssensitiven Displays reicht das beinahe unerschöpfliche Spektrum. Sensoren haben sich längst zur Schnittstelle zwischen Mensch, Umwelt und Maschine entwickelt.
„Gefühlsecht“ wird zum Kommunikationsstandard bei der Datenübertragung. Wir spüren die vertraut-gummierte Außenhaut der Geräte. Das Innenleben gehört anderen.