Wolfgang Bosbach: „Die Debatten werden immer aufgeheizter“

Seit 1994 ist Wolfgang Bosbach (CDU) die unangefochtene Nummer eins im Wahlkreis. Für seine sechste Kandidatur strebt er ein Ergebnis von „50 Prozent plus X“ an.

Rhein.-Berg. Kreis. Auf seinem großen Wahlplakat („Wir für Wobo“) ist sein Konterfei aus 6000 Einzelbildern zusammengesetzt, für die über 400 Menschen ihr Foto via Facebook zur Verfügung stellten. Auch die kleinere Plakatserie der CDU („Unser Bester“) kennt für den Bundestagswahlkampf nur ein Thema: Wolfgang Bosbach.

Der 61-Jährige ist seit fünf Wahlen die unangefochtene Nummer eins im Rheinisch-Bergischen Kreis. „50 Prozent plus X“ ist auch am 22. September wieder sein Ziel. Also alles schon gelaufen?

Auf Bundesebene sieht Bosbach nur eine 50:50-Chance auf Fortsetzung der Koalition. „Wir kämpfen nicht gegen Rot-Grün, sondern gegen Rot-Rot-Grün.“ Und auch bei sich persönlich will er jeden Eindruck vermeiden, er könne sich seiner Sache zu sichern sein.

Dass seine auch mediale Präsenz trotz des Rückzugs vom stellvertretenden Fraktionsvorsitz in der vergangenen Legislaturperiode nicht nachgelassen hat, hat ihn nach eigener Aussage selbst überrascht. Aber gerade weil ihm seine ungebrochene Popularität mehr als 50 überregionale Wahlkampftermine beschert, „bin ich auch rastlos im Wahlkreis unterwegs“.

Die Entscheidung, sich diesem Hamsterrad noch einmal auszusetzen, fällt am Tag der Landtagswahl im Mai 2012. Seine Krebserkrankung ist bekannt, ihre Unheilbarkeit auch. Das Herz wird schon lange durch einen Schrittmacher und einen Defibrillator stabilisiert.

Eigentlich hatte Bosbach bis zum Herbst mit einer Entscheidung warten wollen. Aber nach der bitteren CDU-Niederlage ist ihm auf dem Weg zum Kreishaus klar, dass er der Frage nach dem Wiederantritt nicht ausweichen kann. Und als sie gestellt wird, sagt er Ja.

Kann Bosbach gar nicht anders? „Politik ist ein wichtiger Teil meines Lebens“ sagt er. „Aber die Welt dreht sich auch ohne weiter.“ Noch einmal vier Jahre in Berlin hält der gebürtige Bergisch Gladbacher für einen überschaubaren Zeitraum — und will sich bis zur Halbzeit erklären, ob das seine letzte Legislaturperiode sein wird oder nicht.

„Wenn ich selber das Gefühl hätte, den Erwartungen nicht gerecht zu werden, hätte ich schon jetzt die Konsequenzen gezogen.“ Aber einen Perspektivwechsel nimmt er durch die Krankheitserfahrungen mittlerweile schon für sich in Anspruch: „Ich nehme meine Arbeit ernst, aber ich rege mich nicht mehr so viel auf.“

Aufregung produziert derzeit die NSA-Abhöraffäre. Der ausgewiesene Innenpolitiker Bosbach sieht das Verhalten der Amerikaner sehr kritisch („Partner spähen sich nicht aus“), aber er meint auch einen großen Unterschied zwischen der veröffentlichten und der öffentlichen Meinung festzustellen. „Auf den Veranstaltungen spielt das Thema nur am Rande eine Rolle. Die magere Rentenerhöhung, steigende Energiepreise oder auch die Hausarztversorgung im ländlichen Raum werden viel stärker thematisiert.“

Letztlich, glaubt Bosbach, werde aber „Vertrauen die Wahl entscheiden. Es gibt kein überragendes Thema.“ Er selbst hat sich bei seinen Auftritten vor allem auf zwei Schwerpunkte fokussiert: zum einen die Europapolitik und die Euro-Rettungskrise, zum anderen die aus seiner Sicht unterschätzten Folgen der Energiewende.

An die Stelle des stellvertretenden Fraktionsvorsitzendes ist für Bosbach in den vergangenen vier Jahren der Vorsitz im Innenausschuss des Deutschen Bundestages gerückt — ein Wunschposten, den er als erster CDU-Politiker seit 1949 ausfüllt. Und ein Posten, den er gerne beibehalten würde, wenn er die Gelegenheit dazu bekommt.

Rückblickend spricht er von einem „fraktionsübergreifend sehr guten Arbeitsklima“ im Ausschuss. Das ist für ihn eine Erfahrung auf der Habenseite. Aber da gibt es auch die andere Seite, die Erinnerung an die beiden Sondersitzungen, die er zu leiten hatte: über den Polizeieinsatz bei den Bürgerprotesten gegen Stuttgart 21 und über das Spähprogramm.

Beide Male habe es, so seine Darstellung, hinter verschlossenen Türen einen guten, sachlichen Austausch gegeben. „Und dann geht die Tür auf und es wird geholzt auf Teufel komm raus.“ Letztlich, so glaubt er, profitiere von diesem Polittheater niemand. „Am Ende gibt es nur einen Verlierer, nämlich die Politik im Allgemeinen.“

Dabei hat es die aus Bosbachs Sicht schon schwer genug. Sein Wahlkampfteam spielt selbst auf der Klaviatur der sozialen Netzwerke. Aber er sieht die revolutionäre Entwicklung des weltweiten Netzes durchaus mit gemischten Gefühlen. „Die Debatten werden immer aufgeheizter. Es geht nichts mehr schief, alles ist ein Skandal. Und wir haben auch keine Probleme mehr, sondern nur noch Katastrophen.“ Äußerungen würden immer schwieriger, „weil jeder Satz für sich allein stehen muss“.

Und doch, wenn man ihn fragt, was ihn trotz all dieser Erfahrungen veranlasst, weiterzumachen, dann spricht er wieder von „den Möglichkeiten des Einzelnen“, von der Chance, „Dinge zu verändern und zu verbessern“. Manchmal klappt es, wie bei den Sprach- und Integrationskursen, mal nicht, wie beim Bemühen um Hochwasserhilfe nach den Überschwemmungen im Juni auch für den gebeutelten Rheinisch-Bergischen Kreis. „NRW hat die Schäden im Südkreis nicht mal angemeldet.“