Karl Ulrich Voss: „Es geht um das Tafelsilber unserer Verfassung“

Karl Ulrich Voss treiben die Auslandseinsätze der Bundeswehr seit Jahrzehnten um. Als Einzelbewerber will er das Thema wieder debattentauglich machen.

Rhein.-Berg. Kreis. Was treibt Karl Ulrich Voss an, diesen aussichtslosen Weg der Einzelkandidatur zu gehen? Sein selbst gestecktes Wahlkampfbudget von 2000 Euro hat gerade für eine Haushaltsverteilung seines Wahlflugblatts in seiner Heimatstadt Burscheid und ein Wahlplakat in der Montanusstraße gereicht. Bis zu den Wählern im Südkreis wird sein Name kaum durchdringen. Und sein seit Jahrzehnten gepflegtes Spezialthema ist auch nicht gerade massenkompatibel.

Immerhin, seine von ihm mit der Routine des leidenschaftlichen Leserbriefschreibers bei den überregionalen Medien angepriesene Kandidatur hat zumindest die Berliner Tageszeitung neugierig gemacht. Ein Taz-Redakteur will den 62-Jährigen ein bisschen begleiten, auch Mittwochabend zum Auftritt ins Megaphon.

Voss, der immer parteilos war und sich als sozialliberal grundierten Wechselwähler einstuft, räumt ein, dass sein Antritt, der zweite nach seiner Burscheider Bürgermeisterkandidatur 2009, wie ein „Ego-Spielchen“ wirken müsse. „Aber mir ist es lieber, wenn über die Sache selbst diskutiert ist.“

Die Sache selbst, damit meint er seine Forderung nach gesetzlich klar geregelten Rahmenbedingungen für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Dass Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) im Mai in einem Zeitungsinterview erklärt hat, er begrüße, dass SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Sicherheitspolitik aus dem Wahlkampf heraushalten wolle, bringt Voss noch heute auf die Palme.

Das Thema treibt ihn schon seit 20 Jahren um, fast missionarisch. Damals hat er dazu eine erste Podiumsdiskussion in Burscheid organisiert. Als er als Referatsleiter im Bundesforschungsministerium auch für die Friedens- und Konfliktforschung zuständig war, wollte er dazu einen interministeriellen Workshop in die Wege leiten, „um die Debatte an die Bürger heranzutragen“.

Warum dieser beharrliche Eifer? Vielleicht, weil er selbst Soldat war, wenn auch nur in der Wehrdienstzeit. Vielleicht, weil er sich an seinen Vater erinnert, der mit fliegenden Fahnen in den Zweiten Weltkrieg zog und desillusioniert und verletzt zurückkam. Vielleicht, weil ihn die NS-Vergangenheit mancher Familienmitglieder noch immer belastet. Vielleicht, weil er Jurist ist.

Weltweit macht Voss Beispiele für verfehlte Kriegsziele aus: „Im Irak sehe ich keinen politischen Weg der Befriedung. Und einen Militäreinsatz in Syrien kann ich auch nicht befürworten, jedenfalls nicht, wenn er wie im Falle der USA eine Seite des Konflikts unterstützt und damit nicht mehr die Funktion eines Maklers haben kann.“ Und mit Blick auf die deutschen Auslandseinsätze weltweit sagt der Burscheider: „Jeder Eingriff in die Grundrechte wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit muss in einem Gesetz geregelt werden, das klärt, zu welchem Zweck, in welchen Fällen und unter Abwägung welcher Werte er erfolgt.“ Stattdessen hangele man sich in Sachen Bundeswehr von Einzelfallentscheidung zu Einzelfallentscheidung.

Für Voss geht es in dieser Frage um das „Tafelsilber unserer Verfassung“. Die Auslandseinsätze seien in ihrer heutigen Form verfassungswidrig. Also setzt er seine Mission fort, verschickt Leserbriefe, bloggt im Internet, meldet sich regelmäßig vor jeder Wahl bei allen Kandidaten zu Wort. „Wenn ich schon in einer Demokratie lebe, dann will ich sie auch spüren“, schreibt er dazu in seinem Wahlflugblatt.

Gelegentlich zieht Einzelkämpfer Voss dabei Parallelen zu seiner Leidenschaft des Einradfahrens: Dabei hat man die Hände frei, ist also ungebunden, muss auf die Balance achten, darf sich nicht auf eine Seite festlegen und braucht Kondition. In diese Denkwelt passen auch seine Forderungen nach einer doppelten Staatsbürgerschaft und einer Begrenzung des Abgeordnetendaseins auf maximal zwei Legislaturperioden.

Sich selbst muss er darüber kaum Gedanken machen — auch wenn er als letzten Trumpf seine Erfindung des Mikroplakats aus der Tasche zieht: eine Art Visitenkarte, die in Augenhöhe aufgeklebt wird. Zuoberst der alte Wahlspruch von Turnvater Jahn: „Frisch, fromm, fröhlich, frei.“

Was ist für Sie Glück?
Voss: Eine ausgewogene Lebensführung und ein gesunder Magen.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an einer Frau?

Voss:Dass sie komplementär zu einem Mann passt.

Was wären Sie gerne — außer Politiker?
Voss: Pilot — wegen der Perspektive.

Was würden Sie gerne können?
Voss: Ab und zu den Mund halten.

Erklären Sie in zwei Sätzen, warum man Sie wählen soll.
Voss: Weil ich Wähler von Politikverbrauchern zu Politikgestaltern machen will. Und weil ich glaube, dass ein Abgeordneter, je länger er das ist, desto weniger repräsentativ ist.

Was würden Sie sofort ändern, wenn Sie es könnten?
Voss: Die Aufgaben der Bundeswehr trennscharf, voraussehbar und nachvollziehbar festlegen.

Wie sind die Mietpreise in Berlin?
Voss: Danach habe ich mich im Detail nicht erkundigt. Aber niedriger als in Düsseldorf, München oder Hamburg.

Was schätzen Sie an Ihrem politischen Mitbewerber am meisten?
Voss: An Wolfgang Bosbach: Tapferkeit.

Welchen Koalitionspartner können Sie sich vorstellen?
Voss: Wenn ich in einer Partei wäre, die Grünen.

Was ist Ihr Lieblingsplatz im Wahlkreis?
Voss: Am Fernsehturm in Witzhelden.

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