Altweiber: Schnipp, schnapp ist die Krawatte ab

Möhnen haben es am Donnerstag auf Schlipse abgesehen. Warum eigentlich?

Düsseldorf. Vielleicht hat Uwe Kekeritz, grüner Bundestagsabgeordneter, ja nur vorausschauend gehandelt, als er sich vor zwei Wochen entschloss, lieber sein Amt als Schriftführer im Bundestag aufzugeben, als eine Krawatte zu tragen. Vielleicht hat er schon an den bevorstehenden Weiberfastnachtstag gedacht und vor lauter Sorge ums beste Stück lieber ganz darauf verzichtet. Wer weiß das schon? Fakt ist: An Weiberfastnacht haben Krawatten eine sehr begrenzte Lebensdauer. Schnipp, schnapp, ab heißt es da, und ehe Mann sich versieht, ist das edle Stück Stoff ein wenig kürzer.

Woher dieser Brauch kommt, ist nicht eindeutig. Alois Döring vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte hat mehrere Vorschläge zu bieten, recht populär ist die psychoanalytische Deutung. „Das Abschneiden des Schlipses ist demnach ein femininer Angriff auf ein prägnantes männliches Körperteil“, sagt er. Man könne diesen Akt auch im Sinne einer verkehrten Welt deuten, wonach für einen Tag der Rangunterschied zwischen Chef und Sekretärin aufgehoben werde; immerhin gelte die Krawatte als männliches Statussymbol. Ein anderer Deutungsversuch: „Das Schlips-Abschneiden geht auf das sogenannte Pfandnehmen zurück. Es gibt Belege, dass Frauen schon im 19. Jahrhundert Wegsperren errichteten, und Männer als Pfand ihre Jacke oder ihren Hut abgeben mussten oder eben mit einem kleinen Schnäpschen löhnen mussten, um vorbeizukommen.“

Damit wäre zwar geklärt, warum an Weiberfastnacht die Schlipse beschnitten werden, nicht aber, warum die Männerwelt dieses Stoffstück überhaupt trägt. Eine praktische Funktion ist jedenfalls nicht erkennbar. Einzig ihr dekorativer Charakter dürfte dafür sorgen, dass das schmale Stück Stoff seit Jahrzehnten zur Grundausstattung eines Mannes gehört — und wohl auch in Zukunft gehören wird. Christoph Ploenes, Geschäftsführer von J. Ploenes Krawatten & Accessoires in Krefeld, ist jedenfalls überzeugt, dass der Schlips nicht aus der Mode kommt. „Er ist seit Jahrzehnten in der Diskussion, hat sich aber gerade in den letzten Jahren manifestiert“, meint er. Modisch gibt es jedenfalls keine Diskussionen: In sind Karomuster und schmale Formen. Nicht zu bunt, aber auch nicht zu fad sollte es sein, materialtechnisch in jedem Fall Seide. „Im Herbst kommen auch Krawatten mit Wollanteil oder Leinen“, weiß der Experte.

Dass er als Krawattenhersteller in diesen Tagen besonders stark sein müsse, weist er von sich. Zwar würden seine Produkte gleich reihenweise untragbar gemacht, „aber dafür kaufen die Leute ja auch wieder neue“, sagt der Geschäftsmann. Vielleicht hätte er ja auch etwas im Angebot, das Uwe Kekeritz zusagt.