„Garath ist kein Ghetto“
Interview: Im ersten Teil des Experten- Interviews sprechen Reinhold Knopp und Volker Eichener über arme und reiche Viertel in Düsseldorf.
Düsseldorf. Die steigenden Mieten haben in deutschen Großstädten eine Diskussion über eine soziale Spaltung in reiche Innen- und arme Randbezirke ausgelöst. Der Stadt-Soziologe Reinhold Knopp und der auf Wohnungswesen spezialisierte Politikwissenschaftler Volker Eichener erläutern die Lage in Düsseldorf.
Reinhold Knopp: Düsseldorf ist in dieser Hinsicht schon eine privilegierte Stadt. Aber auch hier gibt es Armut. Allerdings sehr kleinräumig. Zum Beispiel in Garath. Dort gibt es in Hinblick auf Armutslagen einzelne Problem-Straßen. Aber Garath ist ein sozial durchmischter Stadtteil und kein Ghetto. Düsseldorf insgesamt zeigt nicht diese scharfen Tendenzen zu Armutsvierteln wie andere Städte.
Volker Eichener: Düsseldorf hat zwar keine großflächigen Problemzonen, aber es gibt natürlich eine Trennung des Wohnens von sozial Schwächeren und Stärkeren. Das hemmt die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, und es entstehen parallel-gesellschaftliche Strukturen wie zum Beispiel Jugend-Gangs.
Eichener: In Düsseldorf gibt es eine Kombination aus Ring- und Sektionsstruktur. Südöstlich der Innenstadt findet sich ein Ring mit eher problematischen Wohngebieten wie Flingern-Süd oder Oberbilk. Der Nordwesten der Stadt mit Kaiserswerth und Wittlaer ist eher von der Oberschicht geprägt. Darüberhinaus gibt es besonders problematische Quartiere. Sie finden sich aber sehr punktuell über die Stadt verstreut. Manchmal sind das einzelne Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus aus den sechziger jahren mit einer Konzentration aus Sozialschwachen und Migranten. Teilweise liegen diese Quartiere in direkter Nachbarschaft zu gutbürgerlichen.
Knopp: Der Bedarf ist größer, vor allem in Hinblick auf den wachsenden Anteil älterer Menschen mit geringem Einkommen, Wir brauchen sozialen Wohnungsbau, aber in Objekten mit einer Mischung aus verschiedenen sozialen Schichten. Da wo Menschen in homogener sozialer Lage verdichtet angesiedelt werden, wie es in den beiden Wohntürmen in Hassels passiert ist, entstehen Probleme.
Eichener: Es ist weniger problematisch, als es sich anhört. Es gibt für Einkommensschwache ein gutes Angebot an Wohnungen. Insbesondere bei Wohnungsgenossenschaften und Unternehmen mit gemeinnütziger Ausrichtung. Es gibt auch Kooperationsverträge zwischen Wohnungsanbietern und der Stadt über Wohnen und soziale Arbeit. Das ist soziale Wohnraumförderung. Sozialen Wohnungsbau würde ich auf betreute altersgerechte Wohnungen beschränken. Das ist die große Baustelle der Zukunft.
Knopp: Die Entwicklung funktioniert normalerweise so: Da sind junge, gebildete Leute mit kreativen Ideen, aber mit wenig ökonomischem Kapital. Denen macht das nichts aus, in vermeintlich schlechtere Gegenden zu ziehen, wenn sie da ihre Altbau-Wohnung und eventuell ein Ladenlokal zu günstigen Konditionen kriegen. Wenn dann mehrere Leute da wohnen, kommt irgendwann die erste Szenekneipe, ändert sich die ökonomische Infrastruktur. Um die Ellerstraße herum gibt es erste kleine Vorboten, aber ohne eine entsprechende Kneipenszene und Angebote aus Kunst und Kultur wie auf der Ackerstraße wird es da keine Aufwertung geben.
Eichener: Gentrifizierung bedeutet, dass sich aus Studenten Jungakademiker entwickeln, und Einkommensstarke in Viertel einziehen, in denen vorher Einkommensschwache wohnten. Gentrifizierung ist eine Chance für benachteiligte Stadtquartiere, eine soziale Mischung zurück zu erhalten und eine Aufwertung zu erfahren. Knopp: Das wirkt sich aber oft so aus, dass dann Gutverdiener in diese Viertel nachrücken und die Wohnungen für die Leute unbezahlbar machen, die die Szene ausmachen. Die Pioniere der Gentrifizierung, junge Leute mit viel kulturellem, aber wenig ökonomischem Kapital, werden Opfer dieser Entwicklung. Das ist das Gesetz des Marktes. Das ist Gentrifizierung. Aber was wäre das Gegenteil? Stagnation.
Knopp: Ja, aber das ist ein gesellschaftliches Problem und keines der Kommune. Wenn Reiche sich zu sehr vom Stadtleben abschotten, tun sie sich keinen Gefallen. Stadtleben ist doch spannend wegen seiner Unterschiedlichkeit. Sonst kann ich auch aufs Land ziehen. Wichtig ist, dass Menschen aus unterschiedlichen sozialen Lagen sich auch im sozialen Raum begegnen. Das geschieht zum Beispiel noch auf der Kirmes.
Knopp: Auf jeden Fall das soziale Labor. Das sind Feste, bei denen man nicht so darauf achtet, hat der jetzt Gucci- oder Kik-Klamotten an. In Niederkassel merkt man schon, dass man in einer anderen Welt ist. Und wenn ich nur in dieser Welt zu Hause bin, dann entwickelt sich das Bild von Armut klischeehaft und bedrohlich.