Auto hat als Wohlstandssymbol ausgedient

Im Düsseldorf der Zukunft bringen einen selbstfahrende Sammeltaxen von Ort zu Ort: Das ist nur eine Vision des Experten Volker Eichener.

Auto hat als Wohlstandssymbol ausgedient
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Düsseldorf. In Berlin läuft seit Ende vergangenen Jahres ein Pilotprojekt: Sammeltaxen sollen die Mobilität in den Städten revolutionieren. Darauf setzt auch Volker Eichener, Hochschulprofessor und Stadtentwicklungsexperte.

Auto hat als Wohlstandssymbol ausgedient
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Herr Eichener, Sie behaupten, Düsseldorf sei an seine Kapazitätsgrenzen gekommen. Wie sieht Ihre Zukunftsvision aus?

Volker Eichener: Düsseldorf ist eine attraktive Stadt, die einen günstigen Gewerbesteuerhebesatz bietet und dadurch interessant ist für Gewerbeansiedlungen. Das führt zu einer immer stärkeren Arbeitsplatzkonzentration. Ungefähr 400 000 Menschen pendeln täglich herein und hinaus und verursachen Verkehrsprobleme, die wir kurzfristig nicht mehr bewältigen können. Im Gegenteil, sie werden sich verschärfen. Wir werden immer mehr Staus bekommen.

Mehr Menschen müssten auf Bus und Bahn umsteigen.

Eichener: Das ist keine Lösung. Der Rhein-Ruhr-Express wird nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeuten. Die Entlastung liegt vielleicht bei zehn Prozent.

Was schlagen Sie vor?

Eichener: Die Vision heißt Sammeltaxi und Minibus. Es ist ein Verkehr von Tür zur Tür, auf Anforderung mit kleinen, selbstfahrenden Fahrzeugen. In denen sitzt man nicht allein, sondern andere Passagiere fahren mit. Viele Routen werden ja von mehreren Personen gleichermaßen benutzt, zum Beispiel von Kaiserswerth in die City. Dieses System funktioniert schon in Israel, den Niederlanden und Südamerika.

Und was bringt das?

Eichener: Die OECD hat das durchgerechnet: Die Fahrt würde nur ein Viertel des üblichen Taxi-Preises kosten. Dieses System kann eine Entlastung von bis zu 90 Prozent des Verkehrs bringen.

Woran scheitert es bisher?

Eichener: Voraussetzung ist natürlich ein gutes Computersystem, das hat es früher nicht gegeben. Aber jetzt. Es erfordert auch ein anderes Verhältnis zum Auto. Für die älteren Generationen ist das Auto ein Wohlstandssymbol.

Bei den Jüngeren hat sich das schon geändert.

Eichener: Richtig. Die Generation Y, so nennen wir die Menschen um die 30 Jahre, die ist mit den Autos der Eltern aufgewachsen. Für sie ist ein Auto in erster Linie Stress. Zudem ist es extrem ineffizient: Es steht 23 Stunden am Tag und konsumiert Fläche.

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Fläche, die es in Städten nicht gibt.

Eichener: Sie wird immer teurer. In New York kostet ein Parkplatz 500 Dollar Miete im Monat. In Düsseldorf müssten wir eigentlich ähnliche Beträge nehmen. Was mich an der politischen Diskussion sehr ärgert, ist die Fokussierung auf Verbrennungsmotor versus Elektromotor. Der Elektroantrieb wird die Verkehrsprobleme nicht lösen.

Wer kann es sich zukünftig leisten, in Düsseldorf zu wohnen?

Eichener: Wir haben die paradoxe Situation, dass in Duisburg und Essen tausende Wohnungen leerstehen. Das sind aber Städte mit Imageproblemen, deshalb wollen die Menschen nicht dorthin.

Es würde das Stadtbild von Düsseldorf verändern, wenn hier nur Reiche wohnten.

Eichener: Diese Gefahr besteht, wir nennen es Segregation, wenn sich Stadtteile nach Einkommensgruppen sortieren. Vor allem innerstädtische Quartiere wie Derendorf oder Pempelfort durchleben den Prozess eines sozialen Austausches. Auch nach Oberbilk und Flingern ziehen gut Verdienende, meist Kinderlose, um das City-Feeling zu haben. Diese Nobilisierung beginnt interessanterweise mit Studenten, die sind einkommensschwach, aber sozial stark und prägen die Viertel.

Wird es in Düsseldorf für bestimmte Bevölkerungsgruppen keine Wohnungen mehr geben?

Eichener: Die Einkommensschwachen, die Migranten wohnen dann in Wersten-Süd-Ost oder in Garath. Wir haben in Düsseldorf durchaus Siedlungen mit sozialen Problemen, in denen haben wir Konzentrationen von Armut und Ausgrenzung.

Was sind die Folgen?

Eichener: Die Segregation verhindert Lernchancen. Sie erschwert es jungen Menschen, aus diesen Ghettos herauszukommen. Daraus folgt eine Vererbung sozialer Ausgrenzung. Das ist ein Problem, mit dem alle Großstädte konfrontiert sind. Auch das reiche Düsseldorf. Das sieht man aber nicht, wenn man über die Kö spaziert.

Was kann man machen?

Eichener: Wir haben gute Erfahrungen gemacht mit einem sozialen Wohnungsbau, der großzügige Einkommensgrenzen hat, so dass es in den Siedlungen eine gewisse soziale Mischung gibt. Das setzt voraus, dass wir einen großen Sozialwohnungsbestand haben. Der ist aber in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter geschrumpft. Die Wohnungsämter können nur noch die Problemfälle unterbringen.

Was fordern Sie?

Eichener: Düsseldorf braucht eine starke kommunale Wohnungsgesellschaft als stadtentwicklungspolitisches Instrument — das hat die Stadt mittlerweile erkannt und die SWD gestärkt. Und zweitens brauchen wir starke Genossenschaften.

Wenn aber der Platz fehlt?

Eichener: Es gibt keinen Flächenmangel in Düsseldorf. Es gibt einen Mangel an Wohnbauland, weil landwirtschaftliche Flächen nicht als Bauland ausgewiesen werden. Eine Stadt zeichnet sich durch eine hohe Bebauung aus, das Land durch eine geringe. Alles andere ist falsches ökologisches Verständnis. Produziert werden Pendlerverkehr und die Zersiedelung der Landkreise. Also: Bauland ausweisen. Damit reduzieren sich auch die Grundstücks- und die Wohnungspreise.

Wie sicher sind solche Perspektiven, wenn Flüchtlinge in großer Zahl nach Europa kommen?

Eichener: Es wird immer wieder Flüchtlingswellen geben und wir müssen lernen, damit umzugehen. Wir brauchen dringend ein Einwanderungsgesetz. Das sage ich aber auch schon seit 40 Jahren. Wir müssen uns die Zuwanderer aussuchen können, die am besten zu uns passen. Und dann bekommt jeder sofort einen Sprachkurs, und zwar Vollzeit. Die Sprache ist die Basis für die Integration.

Welche Hoffnungen setzen Sie in die Bundestagswahl?

Eichener: Ich sehe keine Partei, die Zukunftsfragen wirklich diskutiert. Wir reden über die nächsten drei Jahre, aber viel zu wenig über die nächsten 30 Jahre.