Schultag Das Gymnasium mit dem Klassenzimmer am See
Düsseldorf · In unserer Serie stellen wir die Schulen dieser Stadt vor. Am Ende des Jahres wählt eine Jury die Träger des WZ-Schulpreises. Dieses Mal: Das Gymnasium Gerresheim.
Es ist mucksmäuschenstill in dem hellen Saal des neuen Anbaus. Schüler sitzen an langen Tischreihen über ihre aufgeklappten Bücher gebeugt. Es ist offene Lernzeit am Gymnasium Gerresheim, und allen Schülern ist daran gelegen, ihre Aufgaben in der fünften Stunde erledigt zu bekommen. Denn Hausaufgaben fallen nach Schulschluss dann nicht mehr an.
Seit acht Jahren befindet sich das Gymnasium am Poth in Gerresheim im Ganztagsbetrieb. Dabei stellte das Umdenken von Hausaufgaben zu Lernzeiten eine der größten Herausforderungen dar, erinnert sich Cornelia Wilfert, die stellvertretende Schulleiterin.
Der Schulleiter versteht den Ganztagsbetrieb als Chance
Das Konzept sieht heute vor, dass in der fünften Stunde der Klassenverband aufgelöst wird und jeder Schüler für sich entscheiden kann, in welchem Fach er seine Aufgaben erledigen möchte und vor allem, ob er allein zurechtkommt oder er Hilfe von einem Lehrer benötigt. Denn Lehrer in den Kernfächern Mathe, Deutsch, Französisch, Englisch und Latein sitzen im Gebäude verteilt in Unterrichtsräumen und stehen für Fragen bereit. Einer Liste können die Schüler der fünften bis achten Klasse entnehmen, welcher Lehrer in welchem Raum sitzt. „Wenn ich in Englisch noch Fragen habe, weil ich den Stoff im Unterricht bei meinem Lehrer nicht verstanden habe, kann ich in der Lernzeit also zu einem Lehrer gehen, mit dem ich besser zurechtkomme“, sagt Julius.
Dass der 13-Jährige selbst entscheiden muss, wann er für welches Fach lernen sollte, findet er gut. „Später muss man sich schließlich auch um seine Sachen selbst kümmern. Da lernt man das schon mal.“ Bisher hat er seine Lernzeit immer gut genutzt, so dass nach Schulschluss Zeit für sein Hobby bleibt. „Meine Schwester geht jetzt auch auf ein Gymnasium. Aber wenn ich zum Tennis gehe, sitzt sie oft noch an ihren Hausaufgaben.“ An drei Tagen geht der Unterricht am Poth bis 15.05 Uhr, danach können AGs besucht werden. Auch eine Kooperation mit dem benachbarten Jugendclub besteht, so dass einige Schüler bis 18 Uhr betreut werden können.
Für Schüler wie Paula, die keine Lernzeit benötigen, gibt es Arbeitsgemeinschaften und Begabtenförderung. Die 14-Jährige bemerkte schon in der Grundschule, dass sie schneller lernt als andere. Aktuell studiert sie Mathematik an der Heine-Uni, schreibt sogar die Klausuren mit — das Schülerprogramm vermittelte ihr ein Lehrer. „Unterfordert habe ich mich an dieser Schule noch nie gefühlt“, sagt sie.
Rund 1000 Schüler besuchen aktuell das Gymnasium am Poth. Der gerade fertiggestellte 8,9 Millionen Euro teure Erweiterungsbau mit Unterrichtsräumen und Mensa wurde dringend benötigt — und ist jetzt auch schon wieder zu klein. Nach der Rückkehr zu G 9 (Abitur nach 13 Schuljahren) fehlen weitere Unterrichtsräume und eine Sporthalle. „Die Planung für den nächsten Anbau beginnt gerade“, sagt Raphael Flaskamp, der 2017 die Leitung der Schule übernommen hat. Er ist überzeugt vom Ganztagsbetrieb und sieht ihn als Chance, „mehr Zeit zum gemeinsamen Lernen, forschen und entdecken zu haben“.
Nach der Rückkehr zu G 9 nun auch zum Halbtag zurückzukehren, wie es aktuell auch zwei Benrather Ganztags-Gymnasien anstreben, ist für Raphael Flaskamp keine Option. Im Gegenteil: „Wir möchten den Campus-Gedanken räumlich und programmatisch künftig noch weiter entwickeln.“ Die Schüler sollen ihre Schule nicht nur als Ort wahrnehmen, an dem sie lernen und arbeiten, sondern auch als Treffpunkt mit Rückzugsmöglichkeiten. Aber genau daran hapert es laut Schülersprecherin Annika aktuell noch: „Besonders für die Unter- und Mittelstufen-Schüler wäre gut, wenn sie einen Platz hätten, um dem Trubel zu entkommen und mal runterzukommen.“
Eine Rückzugsmöglichkeit der ganz besonderen Art erwartet die Schüler aber dann spätestens in der Mittelstufe. Dann nämlich bekommen die Schüler Ruderunterricht am Unterbacher See. „Wir sind die einzige Schule in Düsseldorf mit einem wirklich grünen Klassenzimmer — einem Bootshaus am See“, betont Flaskamp. Einmal wöchentlich verbringen die Schüler dann einen Tag lang an und auf dem Wasser: Drei Stunden wird gerudert, drei Stunden mit einem Lehrer Bio, Mathe oder Englisch gepaukt. Für Flaskamp ist das Rudern mehr als nur ein erweitertes Sportangebot: „Es geht um den Team-Gedanken. Beim Rudern merken auch die pubertierenden Jungs, dass das Boot nur geradeaus fährt, wenn die Mädchen mit anpacken.“ Und so ist aus dem Sportangebot eine Rudergemeinschaft erwachsen, der heute noch viele ehemalige Schüler angehören und deren Vereinsarbeit weitestgehend von den Jugendlichen selbst organisiert wird.