Als Fotograf bei der Bundeswehr
Der Fotokünstler Roland Köhler begleitet die Bundeswehr bei ihren Einsätzen.
Krefeld. Es ist ein unscheinbarer, kleiner Ort, der wie mit einem unsichtbaren Draht in Verbindung mit dem politischen Weltgeschehen steht. Garlstedt, nördlich von Bremen, 600 Einwohner. In der Sumpf- und Moorlandschaft trifft der in Krefeld aufgewachsene Künstler und Fotograf Roland Köhler (63) am Donnerstag auf eine zierliche Frau und rund zwei Dutzend bärtige Männer. Verteidigungsministerin von der Leyen wird dabei sein, wenn kurdischen Peschmerga die Funktionsweise von Sturmgewehr G3 und Panzerabwehrrakete Milan erklärt wird, die der Bund ihnen für den Kampf gegen die Terrormilizen des IS überlässt.
Seit 1998 hat er mehr als 40 Mal an internationalen Missionen der Bundeswehr teilgenommen. Nicht als Embedded-Journalist, sondern als Dokumentar eines anderen Lebens, einer anderen Wirklichkeit. „Ich bin kein Kriegsberichterstatter“, sagt er, „ich beobachte Menschen.“
Seine Bilder funktionieren, weil er eine Vertrauensbasis zu den Soldaten aufgebaut. Viele seiner Freunde und Künstlerkollegen haben ihm das übelgenommen. „Die Nähe zum Militär ist nicht hip“, sagt Köhler. Neue Freunde fand er im Offizierskorps. Glasklar und präzise seien die, sagt er, so wie er selbst auch.
Die vielen Aufenthalte in Krisengebieten — er war mehrfach in Afghanistan, war im Kosovo, im Libanon und lebte unter den Seeleuten an Bord der Fregatte Sachsen, als diese im Anti-Piraterie-Einsatz vor Somalia war — haben ihn verändert. Er ist vorsichtiger geworden. Wenn er in seinem heutigen Wohnort Köln in die U-Bahn steigt oder in ein Café geht, schaut er sich vorher genau an, neben wen er sich setzt. „Ich bin nie in Kampfhandlungen gewesen“, sagt er, „aber ich kenne Leute, die bei Sprengstoffanschlägen getötet wurden.“ Eine Erfahrung, die prägt.
Köhler ist kein Militarist, lehnt Gewalt und privaten Waffenbesitz ab. Er dokumentiert das Leben, wie viele es nicht sehen wollen. Mit der Kamera besucht er todkranke Krebspatienten, fotografiert in Operationssälen. Für die Infobroschüre eines Krefelder Klinikums sollte er Patienten von Geriatrie, Onkologie und Chirurgie porträtieren. Gedruckt wurden die Bilder nie. Die Begründung der Absage — „Sie machen perfekte Bilder, aber die Kranken sehen bei ihnen so krank aus“ — klingt wie das Credo der Köhler’schen Arbeitsweise. „Mir geht es um ein Höchstmaß an Authentizität. Ich bin kein Werbefotograf.“
Aufgewachsen ist der gebürtige Thüringer am Stadtgarten im zerstörten Nachkriegs-Krefeld. Sein Revier waren die Ruinen zwischen Westwall und Steinstraße, er spielte auf der Freitreppe des Kaiser-Wilhelm-Museums und in den Trümmern des Schwanenmarktes.
Eine düstere Zeit war das, was zum Teil wohl auch an der funzeligen Gaslaternenbeleuchtung lag, wie er sagt. In Krefeld fing er an zu fotografieren. Seine Motive: Ruinen, einsturzgefährdete Lagerhallen am Rheinhafen oder das Buschhüter-Haus, an seinem alten Standort an der St. Anton-Straße. Die Agfa, mit der er knipste, trug sein Großvater bei sich, als er in Russland fiel.
Als Köhler Anfang dreißig war, verließ er Krefeld. Noch immer besucht er wöchentlich seine hier lebenden Familie. „Der Niedergang der Stadt in den letzten Jahren hat mich deprimiert“, sagt er. Hoffnung macht dem wohlwollend kritischen Beobachter, wie er sich selbst bezeichnet, die Aufbrauchstimmung, die derzeit in der Stadt herrsche. „Ich hoffe, dass das zarte Pflänzchen nicht bald wieder niedergetrampelt wird.“