Dampftheater: Ein Regisseur unter Volldampf

Wolfram Lenssen inszeniert das Theater am Schluff. Er liebt das Spiel mit Licht. Das zeigte er auch 2002 bei der Illumina.

Krefeld. "Ich habe keine Ahnung, wie Licht funktioniert", sagt Regisseur Wolfram Lenssen. "Deshalb gehe ich mit Lichtinszenierungen anders um als Lichtdesigner es tun würden. Ich lasse Räume nicht nur hell werden für einen Showeffekt, leuchte sie nicht nur aus, sondern emotionalisiere sie. Einen Park erlebbar werden zu lassen in seiner Architektur ist ein sinnlicher Umgang mit Licht", ergänzt er und spielt unter anderem auf die Illumina an, die er im nächtlichen Burgpark Linn für die Dezentrale Landesgartenschau inszenierte.

Da verband er im Jahr 2002 Licht und Klang: Vier Jahreszeiten standen für das Werden, Leben und Sterben des Menschen. Im Frühling kündigte Babygeschrei neues Leben an. Im "Herbst" 1977 wurde an die RAF erinnert. Die Ideen kämen intuitiv, sagt Lenssen: "Wenn ich durch einen Park gehe, verliere ich mich im Grün, um mich wieder zu finden in der Inszenierung."

Nicht nur die traumhaften Raum- und Landschaftsinszenierungen von Wolfram Lenssen sorgen für Aufsehen. Er steht für Architekturszenerien, die das Bauwerk in ein ganz neues Licht setzen, es temporär zugänglich machen und durch Kunst und Fantasie neu ins Spiel bringen. Seine Theater-Zeitreisen sind stets eine Premiere, denn jede Stadt hat ihre eigene Geschichte. Und er experimentiert stetig weiter: "In Wülfrath haben wir den Hundert Jahre alten Steinbruch von ,Rheinkalk’ bespielt, der zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. In diesem ,IndustrieNaturraum’ redeten Steine und Felsen und leuchteten in der Nacht." Über den im Durchmesser einen Kilometer großen See hinweg sang ein Countertenor, war der Flügelschlag und das Zwitschern eines Vogels zu hören. Eine neue Mehrkanal-Tontechnik machte es in Wülfrath möglich. "Das Thema ,Technik’ ist noch längst nicht ausgereizt", weiß er.

"kicks & balances" war ein nächtlicher Höhepunkt während spannender WM-Tage im vergangenen Sommer. Lenssen: "Das Land NRW wollte sich nicht nur als Sport- sondern auch als Kulturland vorstellen." Der Regisseur schaffte die Verbindung in einem spektakulären Mega-Gebilde aus Aluminium. Es war ein zwölf Meter hoher Fußball-Globus, der in der Nacht zur Bühne und zum Akteur wurde.

"Wir haben in, an und um den Ball herum gespielt", begeistert sich Lenssen. "Zuerst war der Ball mit einem Stretchstoff verhüllt. Darauf haben wir Bilder projiziert. Jedoch zeigten wir keine Beckhams oder Ballacks, sondern Kinder, die in Südafrika mit einer Kokosnuss spielen, junge kickende Frauen im Iran oder Elefanten, die gegen einen Ball treten. Natürlich waren auch bolzende Dortmunder Kinder dabei."

Wie ein "Big Bang" sei die Enthüllung des Riesenballs jedes Mal gewesen. Strapaten-Künstler, die sich an Tüchern oder Seilen durch die Lüfte hangeln, haben den Ball belebt, sozusagen vom Süd- bis zum Nordpol. "Es war genau die richtige Mischung zwischen aufwändiger Licht- und Projektionstechnik und zauberhaften atemberaubenden artistischen Darbietungen."

"Wir haben 7000 Volt Scheinwerfer verwendet", berichtet Lenssen. "Normal sind 1200. An unseren hätten wir eine Zigarette anzünden oder blind werden können. Sie tauchten das Geschehen in farbiges Licht. Die Zuschauer haben sogar begeistert mitgemacht, als Deutschland verloren hat. . ."

Das Dampftheater ist eine Geschichte, die Lenssen viel Spaß macht. "Als ich den Schluff sah, wusste ich, da können wir ’was machen. Bei diesem Vehikel kamen die Ideen schnell. Es geht mitten hinein in die Krefelder Geschichte und wir fahren immer mit Volldampf." Der Reiz ist für den Regisseur die Kombination Schluff mit der Reise in die Historie und der Mischung der Menschen, die mitfahren. "Die Darsteller sind ein eingeschworenes Team, das gut improvisieren und mit dem Publikum umgehen kann. Wir freuen uns immer auf Krefeld."

Privat: Der Regisseur des Dampftheaters ist 48 Jahre alt, mit einer Kunsthistorikerin verheiratet und hat eine kleine Tochter. Lenssen wohnt in Wetter an der Ruhr.

Hobby: "Der Garten ist terrassenförmig angelegt, und mein Hobby ist es, die unterschiedlichen Ebenen mit solchen Mauern einzufassen. Das ist ein guter Ausgleich zu meiner Arbeit."

Ausbildung: Nach dem Abitur, das er an einem Düsseldorfer Gymnasium baute, studierte Lenssen Theaterwissenschaften, Philosophie und Psychologie an der Freien Universität Berlin und zwischenzeitlich Regie am Max Reinhardt Seminar Wien.

Bildhauer: Lenssen fand es spannend, bei einem Steinbildhauer in die Lehre zu gehen. Der Japaner Mokoto Fujiwara fand schnell heraus, dass der Lehrling nicht auf den Stein zuging, sondern dem Material seinen Stempel aufdrücken wollte.

Berlin: Lenssen eroberte die "gesamte Szene Berlin". Jazz-Dance hieß das nächste Gebiet. Schließlich übernahm er die Regie-Assistenz am Schiller Theater.

Studium: "Bei Henning Rischbieter habe ich mein Hauptstudium ,Theaterwissenschaften’ abgeschlossen." Mit "König Lear" inszenierte er sein erstes Stück als Tanztheater.

Arbeit: Die "richtige" Arbeit begann, als er in Lünen ein Privattheater übernahm und fünf Jahre lang "interdisziplinär" inszenierte mit Musik, Tanz und Artistik.