Eine getanzte Stadtführung: „Gehört das jetzt dazu?“

Mit einer Stadtführung der besonderen Art irritieren die Tänzer um Choreograf Andreas Simon die Passanten in der Innenstadt.

Krefeld. Ein Paar Beine ragt über den Rand eines Hausdachs - hoch oben über der Wallstraße. Bereits mit dem ersten Bild seiner Performance "Au Milieu - Frauen auf der Mittelstraße" macht Choreograf Andreas Simon klar, was die Zuschauer auf diesem besonderen Spaziergang durch Krefelds Innenstadt erwartet: Es gibt viel zu entdecken, und man muss genau hinsehen, aufmerksam sein, damit einem nichts entgeht.

Ausgangspunkt für Simons Konzept ist die Auseinandersetzung mit den räumlichen und architektonischen Gegebenheiten der Stadt. Und so führt er die große Gruppe Besucher, die sich an diesem Samstagnachmittag in Krefeld auf Spurensuche begibt, an unterschiedliche Orte, die alle etwas zu erzählen haben. Unter den Zuschauern sind auch viele Kinder, denen die Neugier und der Spaß anzusehen ist.

Auf dem Platz vor dem Café Breuers soll sich das Publikum im Kreis aufstellen. Doch zuerst geschieht gar nichts. "Ist da was, oder ist da nichts?" lautet eine häufig gestellte Frage. Andreas Simon spielt gekonnt mit dem Prinzip von Präsenz und Abwesenheit - und schafft so eine außergewöhnliche Situation.

"Gehört das dazu?", fragt jemand, als eine Frau den Platz überquert. Und schon ist sie, obwohl nur Zuschauerin, selbst Teil der Performance geworden. Wie auch die anderen, die Wartenden, die Beobachter, die jede noch so kleine Veränderung überprüfen.

Die Tänzerinnen, die sich dann am Platz vorbeibewegen, rennend, Freudensprünge vollführend, lösen die erwartungsvolle Spannung auf - aber nur für kurze Zeit. An der nächsten Station steht eine Gartentür offen. "Das ist ein bisschen wie im Advent, überall öffnet sich ein Türchen", sagt eine Zuschauerin.

Drei von Kopf bis Fuß in leuchtendes Blau gekleidete Männer joggen an der Gruppe vorbei, um ein paar Meter weiter in einem Haus zu verschwinden. Dasselbe Trio lädt dann in einen Innenhof ein, wo eine Frau Tee trinkt und zwei weitere an Seilen klettern. Man fühlt sich an Alice im Wunderland erinnert.

Kurze Zeit später werden die Besucher aufgefordert, einen Teil der Hochstraße entlang zu sprinten. Spätestens jetzt ist allen klar, dass sie auf diesem Stadtspaziergang selbst zur temporären Veränderung von Orten beitragen. Die knapp 90-minütige Entdeckungsreise endet wieder mitten auf der Straße - zum Finale mit Tanz und Musik aus der Garage. Begeisterter Applaus für diese fantasievolle Stadtführung.