Entlang der Seidenstraße —von der Seidenstadt nach Asien
Susanne und Thomas Goertz sind auf zwei betagten Motorrädern um die halbe Welt gefahren.
Krefeld. Mit den Lebensträumen ist es so eine Sache. Egal, wie sehr man es sich wünscht — sie zu verwirklichen ist immer ein Sprung ins kalte Wasser. Susanne und Thomas Goertz haben es gewagt, sie haben den harten Weg gewählt — und sie haben es nicht bereut. Einmal die Seidenstraße entlang, von der Seidenstadt nach Ostasien.
30 000 Kilometer auf zwei betagten Motorrädern. Nerven und Schweiß, Angst und Kälte. Einblicke in fremde Lebensweisen, in das Überleben an unwirtlichen Orten. „Wenn uns vorher einer gesagt hätte, was uns alles erwartet, wären wir wahrscheinlich nicht gefahren“, sagt Thomas Goertz. „Rückblickend bin ich froh, dass es niemand getan hat.“
Wer sie besucht, merkt sofort, dass das Fernweh ihr ständiger Begleiter ist. Auf der Straße steht ein geländegängiger Armee-LKW, den sie gerade zum Reisemobil ausbauen, in der Einfahrt die beiden Reiseenduros, mit denen sie die legendäre Seidenstraße bezwungen haben „Die Kulturen, die alten Städte, der Orient, das alles hat uns gereizt“, sagt Susanne Goertz.
Ende März 2013 geht es los, über den tief verschneiten Schwarzwald führt sie die Route nach Venedig, den Geburtsort Marco Polos. Von da aus über Griechenland in die Türkei. Nach sechs Wochen kommen sie im Iran an — mit gehörigem Respekt vor dem iranischen Frauenbild im Gepäck. „Ich bin halt kein Mann, der die Gastfreundschaft ungeteilt erleben kann“, sagt sie.
Dafür ist die motorradreisende Frau eine Attraktion im streng muslimischen Land. Von der Herzlichkeit der Bevölkerung überrollt, bricht das offizielle Bild schnell zusammen. Sobald sie anhalten, werden sie eingeladen, weitergereicht, Adressen ausgetauscht. Auch die Polizei lädt sie ein — zunächst rein freundschaftlich.
Dann durchqueren sie die Salzwüste und landen ungewollt im Sperrgebiet. Sie werden verhaftet, jetzt ist die Polizei nicht mehr freundlich. Verzweiflung ist angesagt. Der Polizeichef ist ein Psychopath, schreit sie an, schlägt gegen die Wände, sperrt sie in ein Verließ.
Nach stundenlangen Verhören werden ihnen die Augen verbunden, mit dem Kopf zwischen den Knien werden sie in rasender Fahrt in ein Geheimdienstgefängnis gebracht. Der Vorwurf: Spionage. Wieder Verhöre. „Woher habt ihr die vielen iranischen Adressen?“
Thomas Goertz platzt der Kragen: „Seit ihr mal durch euer eigenes Land gefahren“, fragt er mit dem Mut der Verzweiflung zurück? Der Hinweis auf die überbordende Gastfreundschaft ist der ersehnte Türöffner. Unter Beobachtung können Sie das Land verlassen. Mit dem turkmenischen Stempel im Pass ist alles wieder gut. Wunden lecken in Aschgabat ist jetzt angesagt.
Noch besser gefällt ihnen Usbekistan. „Das Land ist wie ein offenes Museum, vieles wirkt wie vor 500 Jahren“, sagt Thomas Goertz. In Tadschikistan geht dann „das große Landschaftskino los“, wie er es nennt. Übernachtet wird in Jurten bei Einheimischen oder im Zelt im Garten eines Luxushotels. Eine Terrorwarnung beendet den Aufenthalt. Chinesische Militärkontrollen sind lästige Begleiterscheinungen auf dem Dach der Welt in Tibet. Dafür laufen die Maschinen auch noch auf über 5000 Metern Höhe, wenn auch nur mit 20 Prozent Leistung.
Der Umgang mit archaischen Problemen — wo schläft man, was isst man, wie ist das Wetter — hat sie entspannter gemacht. Erlebnisse wie die im iranischen Gefängnis lassen die Zumutungen des Alltags in einem ganz anderen Licht erscheinen. Was soll da noch kommen — außer dem nächsten großen Abenteuer?