Eugen Drewermann fordert mehr Menschlichkeit
Der populäre Kirchenkritiker war zu Gast in Krefeld. Er verteidigte den Glauben mit großer Ruhe und Gelassenheit.
Krefeld. "Eugen Drewermann - Rebell oder Prophet?" lautet der Titel eines 2003 erschienenen Buches über den ebenso streitbaren wie umstrittenen Theologen aus Paderborn. An Drewermanns Thesen haben sich schon viele Geister geschieden. Jetzt war der populäre Kirchenkritiker zu Gast in Krefeld.
Bei seinem Vortrag "Das Bilderbuch Gottes - Die Botschaft einiger Gleichnisse" in der Gesamtschule am Kaiserplatz ging es jedoch weniger um die Institution Kirche als vielmehr um den Glauben. Und den verteidigte Drewermann mit großer Ruhe und Gelassenheit.
Ausgehend von der Frage "Wie können wir in unserem Leben Orientierung finden?" - für Drewermann eine der zentralsten unserer Zeit - nennt er, der sich immer wieder mit Psychoanalytikern wie Sigmund Freud und Carl Gustav Jung auseinandergesetzt hat, den Traum als einen wichtigen Faktor auf dem Weg zur Selbsterkenntnis.
In unseren Traumbildern sei die Diagnose enthalten, mit deren Hilfe wir die Chance hätten, unser Leben zu verändern. "Bilder der Seele" nennt Drewermann sie und sagt: "In den Träumen zeigt sich, wie unsere Seele an Bilder gebunden ist, die das Leben deuten".
Doch was hat das mit den Gleichnissen des Neuen Testaments zu tun, dem eigentlichen Thema des Vortrags? Für Drewermann sind sie, die er als Literaturform, als Erzählform bezeichnet, wie umgekehrte Träume. Sie böten den Menschen Orientierungspunkte und eröffneten ihnen neue Perspektiven.
Diese tiefenpsychologische Deutung von Gleichnissen, die immer das Menschliche in den Mittelpunkt rückt, setzt Drewermann als Kontrapunkt den Dogmen der "normalen" Theologie entgegen, die ausgrenze, die Zäune errichte und aus Gott einen "Lieferanten von Stacheldraht" mache.
Überhaupt spart Drewermann an diesem Abend nicht mit drastischen oder überhöhten Bildern, die manchmal allzu bemüht wirken. Etwa, wenn er davon spricht, dass sich so manch einer, der mit seinem Leben unzufrieden sei, nur wie ein "Pausenzeichen in einer großen Symphonie" vorkomme. Um dann gleich darauf den Wert hervorzuheben, den ein Pausenzeichen in der Symphonie Gottes habe.
Doch wie plakativ viele seiner Vergleiche auch sein mögen, Drewermanns christliche Botschaft verschwindet nicht hinter eitler Rhetorik. Seine unbedingte Forderung nach Menschlichkeit, nach verständnisvollem Miteinander überzeugt und macht Mut.