Hülserin schreibt von "Bollywood und Rübenkraut"
Natalie Tenberg arbeitet als Journalistin. Jetzt ist ihr erstes Buch auf dem Markt.
Krefeld. Fragt man Deutsche danach, was ihnen zu Indien einfällt, dann werden wohl viele spontan mit „Bollywood“ antworten. Aber Inder, die bei der Erwähnung von Deutschland an Rübenkraut denken? „Stimmt, wenn es eine zweite Auflage gibt, sollte sie vielleicht ’Bollywood und Mercedes Benz’ heißen, aber Rübenkraut ist einfach so schön niederrheinisch“, sagt Natalie Tenberg.
Die 37-jährige Hülserin, die mit ihrem Mann und zwei Kindern in Berlin-Pankow lebt, erzählt in ihrem Erstlingswerk episodenhaft die Geschichte ihrer deutsch-indischen Familie. Das beginnt bei der Hochzeit ihrer Eltern in Krefeld, bei der ihre indische Großmutter Nanna die Vorzüge des niederrheinischen Apfelkorns kennenlernt. Und auch am Ende steht eine Hochzeit, allerdings diesmal in Indien, die Hochzeit ihres Cousins.
Natalie Tenberg, die in Maastricht ein „tolles Studium“ der Betriebswirtschaftslehre absolviert hat, bewarb sich, so sagt sie, „ohne Ratgeber oder Bewerbungstrainer“ bei der Berliner Tageszeitung taz für ein Praktikum. „Eigentlich war ich echt überrascht, dass ich genommen wurde. Aber über das Praktikum bin ich zur freien Mitarbeit, dann zur Vertretung und schließlich zur Arbeit in der Redaktion gekommen.“
Als Redakteurin bei der Tageszeitung sei es ihr aber irgendwann so vorgekommen, als sei sie fortwährend von der Aktualität der Ereignisse getrieben gewesen. „Man packt Tag für Tag die Zeitung voll, und das macht mir wirklich Spaß. Aber ich wollte auch mal etwas machen, das über einen längeren Zeitraum geht. Und im Gespräch mit Kollegen, die mich nach meiner indischen Familie gefragt haben, ist mir klargeworden, dass ich die Geschichten einfach gerne erzähle.“ Außerdem habe sie gemerkt, dass das Interesse an Indien und der indischen Kultur in Deutschland groß sei.
Viele der Geschichten, gerade die am Anfang des Buches, kennt Natalie Tenberg nur aus Erzählungen von ihren Eltern. „Klar, die wurden früher gerne am Essenstisch erzählt. Aber für das Buch musste ich natürlich noch einmal nachfragen.“
Zum Beispiel, wie das genau mit dem Apfelkorn war. Eines der ersten Kapitel im Buch handelt davon, wie sich Tenbergs Großmütter, nach anfänglichen kulturellen Missverständnissen, näherkamen: durch ebendiesen typisch niederrheinischen Apfelkorn. „Noch heute haben meine Eltern eine Flasche zu Hause herumstehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob die Beiden überhaupt davon trinken“, verrät die 37-Jährige.
Eine andere Delikatesse aus Deutschland hatte es Tenbergs indischer Großmutter Nanna sogar so sehr angetan, dass auf jede Indienreise ein Becher für die Oma mitgenommen werden musste: Das Grafschafter Rübenkraut aus Deutschland bekamen nicht einmal gute Freunde zu sehen, so heilig war es der indischen Dame.
Auch heute hat Tenberg noch Kontakt nach Indien. Früher ging das häufig über Telefon oder Briefe. „Aber heute, mit den Möglichkeiten des Internets, geht das Meiste über Whatsapp oder Skype.“
Teilweise sei das auch wirklich praktisch: „Oft wollen die Tanten, Onkeln, Cousins oder Cousinen unsere Kinder sehen. Der Familiensinn ist in Indien viel stärker ausgeprägt als hier in Deutschland.“ Ein anderer großer Unterschied sei auch in der generellen Lebenseinstellung zu sehen: „Der Inder sieht im Chaos immer die Chance für einen Neuanfang. Für den Deutschen ist Chaos eher der Anfang vom Ende“, sagt sie und lacht.