Hurra, ich bin ein Schulkind
Mit der Zuckertüte im Arm geht es in einen neuen Lebensabschnitt. Drei Krefelder lassen die WZ einen Blick in ihr Fotoalbum werfen.
Krefeld. Der nagelneue Ranzen wartet schon seit Wochen darauf, endlich ausgeführt und mit Büchern gefüllt zu werden. Genauso wie der kleine Kopf, der mit Zahlen und Buchstaben gefüttert werden möchte. Die Vorfreude auf ihre Einschulung ist bei den meisten Kindern riesig.
Am Dienstag war es für hunderte ABC-Schützen endlich so weit. Die Erinnerung an den ersten spannenden Schultag werden sie ihr Leben lang nicht vergessen. So wie diese drei Krefelder, die mit der WZ in ihr Fotoalbum blicken:
Der Künstler Will Cassel hat 1933 in Dortmund das erste Mal die Schulbank gedrückt. Den großen Tag musste das Einzelkind jedoch allein meistern: "Meine Eltern hatten wohl keine Zeit, ein paar ältere Freunde haben mich begleitet. Wenn ich das vergleiche mit meinen Enkelkindern heute, hat sich die Bedeutung des ersten Schultages doch schwer verändert", sagt Cassel.
Eine mit Nappos und Lakritzrollen ("die mag ich heute noch gern") gefüllte Schultüte hatte der kleine Will im Arm. "Eine sehr modische Tüte sogar, die unten nicht spitz zulief. Ich nehme jedenfalls an, dass das modern war, denn meine Mutter war eine sehr modische Person. In knielanger Hose und hohen Schnürschuhen sah ich richtig schön lieb aus", lacht Will Cassel, der ausgesprochen gern zur Schule gegangen ist. An seine Grundschullehrerin kann er sich gut erinnern: "Fräulein Höfels war eine Schönheit, wir waren alle verliebt in sie. Sie hat uns Lieder und Gedichte beigebracht."
Die haben dem kleinen Will mindestens so viel Freude bereitet wie seine Schulhefte rundherum mit bunten Skizzen zu versehen - sein späterer beruflicher Weg zeichnete sich also schon früh ab.
Mit großer Empörung hat der erste Schultag für Dr. Brigitte Tietzel, Leiterin des Deutschen Textilmuseums, begonnen: "Unser Lehrer hat ,Mein erstes Lesebuch’ hochgehalten und wir sollten den Titel nachsprechen. Danach hat er gesagt: Das steht da aber gar nicht, sondern ,Lesefibel’. Bei mir stieg die kalte Wut hoch", erinnert sich Tietzel, von ihrem Lehrer derart in die Irre geführt worden zu sein.
An ihrem Stolz darauf, an einem Sommertag im Jahr 1954 in Essen das erste Mal zur Schule gehen zu dürfen, hat dies aber nichts geändert. "Endlich war man wer: ein Schulkind. Ich brannte darauf, Schreiben, Rechnen und Lesen zu lernen." Mit einem großen Pflaster auf dem linken Knie und einer noch größeren Schultüte im Arm, wurde die kleine Brigitte am ersten Tag von ihrer Mutter begleitet. "Ab dem zweiten habe ich die 20 Gehminuten vom Elternhaus bis zur Schule schon in einem Pulk von Nachbarskindern bewältigt."
Gut in Erinnerung geblieben ist Brigitte Tietzel das sinnliche Erlebnis, die mit rotem Krepp-Papier verschlossene Zuckertüte zu öffnen. Genauso wie das Klappern von Tafel und Griffeln und der Geruch ihres ledernen Schultornisters. Textilien sind bis heute ihre Leidenschaft.
Seinen ersten Ledertornister hat auch Gregor Micus nicht vergessen - auch, wenn er diesen erst für das Gymnasium geschenkt bekam. "Ich bin ein Sandwich-Kind, genau in der Mitte von insgesamt fünf Geschwistern und musste immer alte Sachen auftragen", erinnert sich der Krefelder Schuldezernent.
Der nagelneue Tornister war ein Höhepunkt seiner schulischen Laufbahn. 1961 ist er in einer katholischen Volksschule für Jungen in Erkelenz eingeschult worden. "Die ersten Klassen waren in einem Nebengebäude untergebracht, in dem mit Kohleöfen geheizt wurde. Bis zur großen Pause saßen wir in Anorak im Klassenzimmer und immer zwei Kinder mussten mit dem Hausmeister gut eine halbe Stunde lang Kohle in den Ofen schaufeln", erzählt Micus.
Am ersten Schultag ist auch er ganz allein gegangen: "Heute ist Einschulung ein Event. Das war früher anders. Meine Familie hatte eine Eisenwarenhandlung. Es konnte niemand den Laden verlassen, um an meinem ersten Schultag dabei zu sein."
Aber eine süße Schultüte gab es natürlich. "Aber auch die sind mit den Jahren größer geworden, manchmal ja sogar länger als das Schulkind selbst", lacht Micus, der nach eigenen Angaben zwar "kein Musterschüler" war, "eher ein Spätzünder", aber immer gern zur Schule gegangen ist.