Interview mit der Geschäftsführung des St.Josefshospitals: Das letzte Uerdinger Baby
Die Geschäftsführung über die Schließung der Geburtshilfe und Perspektiven.
Krefeld. Herr Werner, als das Aus der Uerdinger Geburtshilfe im Dezember verkündet wurde, hatten Sie da mit diesem Aufschrei gerechnet?
Thomas Werner: Ja. Das Thema ist emotional besetzt, da sind aufgebrachte und wehmütige Reaktionen verständlich. Aber wir hatten keine Wahl: Seit 2008 gab es einen Negativtrend, wir lagen deutlich unter 800 Geburten pro Jahr, der Marke, die man haben muss, um kostendeckend zu arbeiten. Wir können unser Haus nicht permanent schwächen, indem eine Abteilung Verluste macht.
Es gab den Vorwurf, die Geschäftsführung habe nicht genug unternommen, den Trend umzukehren.
Werner: Das stimmt nicht. Wir haben uns die Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht, haben viele Gespräche geführt und Modelle geprüft, um die Zahl der Geburten zu steigern. Doch wir konnten nicht genügend Eltern für uns begeistern — obwohl unsere Eins-zu-Eins-Betreuung bei der Geburt echter Luxus war.
Gespräche sind das eine, Taten das andere. Was ist konkret passiert?
Werner: Wir haben das Umfeld verbessert, neue Technik eingekauft, das Personal aufgestockt. Wir haben auch die Zahl der Beleghebammen auf 17 erhöht und sie vertraglich ans Haus gebunden. Gerade von dieser Maßnahme hatten wir uns viel versprochen. Denn wenn alle Beleghebammen nur 50 Prozent ihrer Geburten bei uns durchgeführt hätten, hätten wir nicht schließen müssen. Glauben Sie mir: Wir haben seit 2008 viele Schubladen geöffnet. Unsere Kreißsaalführungen waren auch immer voll, aber zu wenige werdende Eltern haben sich tatsächlich für uns entschieden.
Woran lag das?
Werner: Ich denke, der Hauptgrund ist die fehlende Kinderklinik. Aber daran konnten wir nichts ändern, das hätten wir nie anbieten können. Dafür haben wir keinen Auftrag von der Bezirksregierung. Wir hatten ja sogar eine Kinderärztin im Haus, was nur wenige Häuser anbieten können - aber auch das war kein Grund, sich für uns zu entscheiden,
Wann fiel die Entscheidung, die Geburtshilfe dicht zu machen?
Werner: Auf der Gesellschafterversammlung im September. So hart das klingt, aber es geschah zum Wohle des ganzen Hauses.
Haben Sie den Imageeffekt dabei einkalkuliert? Mit der Geburtshilfe verbinden die meisten Menschen positive Erfahrungen.
Werner: Es ist richtig, dass unsere Geburtshilfe ein Aushängeschild war. Aber diesen Effekt kann man kaum in Zahlen fassen. Außerdem sind Kliniken heute so spezialisiert, dass bei der Auswahl, wo man sich behandeln lässt, medizinische Gründe entscheidender sind als emotionale.
Welche Rolle spielen allgemeine Entwicklungen im Gesundheitssystem bei der Schließung?
Werner: Unser Gesundheitssystem vergütet heute kostendeckend, dadurch müssen sich Abteilungen selbst tragen. Früher konnte zum Beispiel eine „gute“ Chirurgie eine „schlechte“ Geburtshilfe mit durchziehen, diese Quersubventionierung ist deutlich rückläufig. Krankenhäuser sind heutzutage Wirtschaftsunternehmen, dem müssen auch wir Rechnung tragen.
Als solches werden Sie sich nun neu aufstellen. Innerhalb der Gynäkologie schaffen Sie den neuen Schwerpunkt Onkologie. Warum?
Werner: Das passt gut in unser Portfolio, da die Onkologie bei uns im Haus ohnehin sehr präsent und exzellent besetzt ist. Markt- und Umfeldanalysen haben ergeben, dass der Bereich der gynäkologischen Onkologie ein hohes Potenzial hat, das bislang weder uns noch andere Häuser erreicht.
Wie steht das Haus als Ganzes da?
Werner: Wir sind heute gut aufgestellt — als Stadtteilkrankenhaus und mit den Spezialfertigkeiten, die uns in der ganzen Region bekannt machen. Wir haben eine hervorragende Urologie, auch die Kardiologie und die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie laufen gut. Wir haben hier viel investiert, und das zahlt sich aus.
Dennoch sorgt die Schließung einer Abteilung immer für Sorgen und Gerüchte. Sehen Sie eine Gefahr für das gesamte Haus?
Werner: Ich sehe diese Gefahr nicht. Wir haben ein gutes Portfolio und eine exzellente Mannschaft. Wir sind gut gerüstet für die Zukunft.