Jazz: Krankheit und Therapie

Schauspieler August Zirner würdigt drei große Musiker – und zieht die Zuhörer in seinen Bann.

Krefeld. "Diagnose: Jazz" nennt August Zirner sein musikalisch-literarisches Programm, das er drei großen Individualisten des Jazz gewidmet hat: Charles Mingus (1922-1979), Rahsaan Roland Kirk (1936-1977) und Thelonious Monk (1917-1982), alle schwarze Amerikaner.

Der beliebte TV- und Kinodarsteller Zirner, der auch ein passabler Querflötist ist, gastierte zusammen mit dem Essener Spardosen-Terzett am Freitag im Kulturpunkt Friedenskirche.

Was soll der Titel bedeuten? Ist Jazz eine Krankheit? Das meint Zirner wohl kaum. Sind Jazzmusiker krank? Mit Mingus und Monk, weniger mit Kirk, hat er sich Musiker ausgesucht, die psychisch auffällig waren.

Mingus’ Wutausbrüche waren gefürchtet, Monk, so vermutet man heute, litt unter einer Form des Autismus, war eher introvertiert. Kirk, seit dem zweiten Lebensjahr blind, starb relativ jung an den Folgen eines Schlaganfalls.

Zirner hält sich nicht lange mit Erklärungen auf. In schwarzen Anzügen betreten er, Rainer Lipski (Piano), Kai Struwe (Kontrabass) und Micky Neher (Schlagzeug) die Bühne, und Zirner legt gleich los. Aber nicht mit Jazz, sondern (mutmaßlich) mit einem Stückchen Debussy. Damit endet auch das Programm.

Dazwischen aber gibt es viel Jazz, zu Standards gewordene Kompositionen der drei Musiker. Man erkennt "Goodbye Pork Pie Hat" von Mingus, "Straight No Chaser", "Epistrophy" und "Mysterioso" von Monk, "Here Comes The Whistle Man" von Kirk. Ein paar mehr Titel hätte Zirner schon ansagen können.

Geschickt verwoben mit der Musik sind literarische Texte, die das Leben der drei Jazzer schlaglichtartig beleuchten. Man hört von der großen Wut, die Mingus hegte, erlebt Monks autistische Unbeholfenheit.

Das rassistische Klima der 50er-Jahre, das es den schwarzen Musikern zusätzlich schwer machte, kommt ausführlich zur Sprache. Mingus wird von einem weißen Bandleader gefeuert, Monk wird aus nichtigem Anlass von einem Polizisten mit einem Schlagstock traktiert.

"Wer sich mit Jazz beschäftigt, muss einen Vogel haben", sagt Zirner vor der Zugabe. Da ist es wieder: Jazz als Krankheit.

Für Mingus, den Erneuerer der Formen, Monk, den radikalen Melodiker, und Kirk, den impulsiven Improvisierer auf bis zu drei Blasinstrumenten gleichzeitig war Jazz wahrscheinlich eher eine Therapie gegen die Krankheit des Lebens. Da hat Zirner vielleicht etwas missverstanden.

Dem Publikum in der Friedenskirche war es einerlei, es hätte dem Mann mit der sonoren Stimme und seiner versierten Begleitband auch noch länger lauschen mögen.