Jazzfestival: Sommerabend in der Aula
Von Burg Linn weicht das Jazzfestival auf ein Schulzentrum aus: 600 Gäste lassen sich nicht beirren.
Krefeld/St. Tönis. Immer im Sommer verwandelt sich der Jazzklub in einen Verein von Hobby-Meteorologen. Vor ihrem Festival "Jazz an einem Sommerabend" auf der Burg Linn stecken die Mitglieder ihre Nasen in die Wetterberichte. Zweimal war bisher die Konsequenz, dass man das Freie des Burghofs mied, nun war es zum dritten Mal soweit. Statt in der wunderbaren Atmosphäre der Burg fanden sich die Jazzfans am Samstag im Schulzentrums Corneliusfeld in St. Tönis wieder.
Die Entscheidung war gerechtfertigt. Zwar fiel nicht der erwartete Regen, doch hätte die Kühle den Besuchern in Linn arg zugesetzt. "Ich fühle mich hier, als wäre ich wieder in der Highschool", war der Kommentar von US-Saxofonist Chris Potter. Mit 600 Gästen gab es am Ende nur 100 weniger als im Vorjahr in Linn.
Als hätte der Jazzklub die Verlegung ins ländliche Umfeld schon länger geahnt, stand The Dorf als Erstes auf dem Programmzettel. Doch trieb die über 20 Mann starke Big Band um ihren Leiter Jan Klare schnell die Landluft-Reste aus der Aula.
Mit Geige und Cello, drei Gitarristen, Schlagzeug und Bass jeweils im Doppelpack und eigenen Experten für elektronische Sounds neben dem üblichen Bläsersatz ist diese Big Band aus dem Ruhrpott ungewöhnlich besetzt, und originell ist auch ihre Musik. Balladeske Tempi folgen auf schnelle Rockbeats, mehrstimmige Bläsersätze gehen in schräge Soundflächen über, brausende Tutticluster schlucken zart hingetupfte Klangfragmente. Davor hüpft Dirigent und Komponist Klare mal wie ein Voodoo-Zauberer auf und ab, dann führt er die gerade noch wie entfesselte Musikermeute wieder mit straffer Hand. The Dorf bescherte ein Sound-Ereignis, das nur von wenigen Soli durchsetzt war. Ein paar mehr hätten es schon sein können.
Die französische Band Ozma fiel vor zwei Jahren schon einmal im Jazzkeller positiv auf, und auch beim Festival enttäuschte sie nicht. Das Quintett in der Besetzung Saxofon, Posaune, Gitarre, Bass, Schlagzeug ist eine Gruppe der Namenlosen, hier ist die Band der Star. Sie lieferte ein dramaturgisch überzeugendes Set ab, der Mix aus zeitgenössischem Funk und eher europäisch orientierter Melodik war äußerst abwechslungsreich arrangiert.
Die Band der Stars mit Chris Potter an Tenor- und Sopransaxofon an der Spitze kam zum Schluss. Underground nennt Potter seine Formation, das führt in die Irre. Potter und Adam Rogers (E-Gitarre), Scott Colley (Kontrabass) und Nate Smith (Schlagzeug) lieferten Mainstream-Fusion ab, uninspiriert arrangiert, harmonisch belanglos. Die musikalische Einfachheit kompensierte das Quartett zwar mit einem Höchstmaß an Virtuosität auf allen Positionen und mit rhythmisch unglaublich druckvollem Spiel, doch das Blendwerk machte die Sache nicht besser.