Finanzskandal weitet sich aus
Beim Eintreiben von Grundbesitzabgaben ist bei der Stadt über Jahre Arbeit liegen gebliegen. Zur Aufarbeitung wurde im Fachbereich sogar zu verbotenen Mitteln gegriffen – und Rechnungsprüfer sollen dies gedeckt haben.
Krefeld. Nach der folgenschweren 800 000-Euro-Falschüberweisung und aufgefundenen Bergen unbearbeiteter Akten gibt es die nächste Hiobsbotschaft aus dem Fachbereich Zentraler Finanzservice und Liegenschaften: Nach WZ-Informationen sind massenhaft - in diesem Fall nicht versteckte - Akten unbearbeitet geblieben.
Deshalb sind allein in diesem Jahr 3500 fehlerhafte Bescheide über Grundbesitzabgaben verschickt worden. Weil dies etliche Beschwerden zur Folge hatte, ist für die Stadtkasse eine Mahnsperre verhängt worden. Die Folge: Wer nicht zahlt, erhält deshalb zurzeit von der Stadtverwaltung keine Erinnerung - seit Monaten werden hier Einnahmen in unbekannter Höhe nicht mehr eingetrieben. Gerade erst ist die Mahnsperre bis 15. August verlängert worden.
Dass es Unmengen von Rückständen in dem Sachgebiet für Steuern und Abgaben gibt, ist im Fachbereich seit langem bekannt. Eingaben von Bürgern, aber auch Messdaten des Finanzamtes, die Einfluss auf die Berechnung der Grundbesitzabgaben haben, sind seit November 2009 unbearbeitet. Briefe und Akten stapeln sich. Das ist der Grund, warum ein Großteil der für die Stichtage 15. Februar und 15. Mai verschickten Gebührenbescheide auf alten und damit falschen Daten beruht.
Im März sollte nach Informationen unserer Zeitung deshalb die Notbremse gezogen werden. Drei Beschäftigte der Stadtkasse wurden stundenweise in das Sachgebiet Steuern und Abgaben abgeordnet, um beim Abarbeiten der Rückstände zu helfen. Die Folge: Mitarbeiter, die gleichzeitig kassierten, verschickten auch Bescheide - das Vier-Augen-Prinzip wurde ausgehebelt, eine Kontrolle konnte prinzipiell umgangen werden. Haushaltsrechtlich ist dies verboten. Pikant: Aus internen Unterlagen geht hervor, dass der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes hierzu befragt worden ist und der Verfahrensweise zugestimmt hat. In einem Vermerk hierzu heißt es: "Er deckt das."
Rückstände bei der Bearbeitung im Bereich der Grundbesitzabgaben hat es in den zurückliegenden Unterlagen immer wieder gegeben. Aus internen Unterlagen geht hervor, dass es schon 2008 und 2009 bei der Dateneingabe massive Verzögerungen gab, durch die ebenfalls fehlerhafte Bescheide verschickt und Mahnsperren verhängt wurden.
Unklar ist, in welcher Höhe der Stadt ein finanzieller Schaden entstanden ist. Das lässt sich vermutlich erst beziffern, wenn alle Fälle restlos überprüft sind. Damit hat der neue Fachbereichsleiter Peter Mertens begonnen - sobald er einen Überblick hat, sollen Politik und Öffentlichkeit informiert werden, verspricht Oberbürgermeister Gregor Kathstede.