Krefelder Ägypten-Fachmann: „Die Militärs wollten die radikale Lösung“

Klaus Klinkhammer reist regelmäßig in das Land am Nil. Er hofft, dass es nicht zu einem Bürgerkrieg kommt.

Krefeld. Seit über 20 Jahren fährt Klaus Klinkhammer ein- bis zweimal im Jahr für mehrere Monate nach Ägypten. Aber nicht nach Hurghada zum Tauchen, sondern nach Kairo, Alexandria, Marsa Matruh, Luxor oder in die Wüstenoase Siwa. In diesem Jahr aber ist der frühere Geschäftsführer der Gewerkschaft ÖTV daheim geblieben in seinem Haus in Holterhöfe. Er plant aber wieder für das kommende Frühjahr einen Flug nach Kairo.

Im vergangenen Jahr war er zuletzt dort. Der Hobby-Ägyptologe rät vehement davon ab, derzeit ins Land der Pharaonen und Revolutionen zu reisen. „Das Problem sind die Waffen, von denen das Land in den letzten Monaten überschwemmt wurde.“ Sie stammen aus den Arsenalen des gestürzten libyschen Herrschers Gaddafi. „Dort werden Maschinenpistolen für ein paar Euros verkauft, in Jeeps verladen und in Ägypten mit hohem Profit verkauft. Das macht die Lage so explosiv.“ Beobachtet habe er das selbst in der Grenzregion zu Libyen.

Klinkhammer hat früher für die gewerkschaftsnahe Friedrich-Ebert-Stiftung in Uganda in Afrika gearbeitet und ist über diesen Umweg zum Freund des Landes am Nil geworden. Dabei interessieren ihn nicht nur die Geschichte des Landes, sondern auch die sozial-ökonomischen Probleme. „Vor 40 Jahren lebten dort noch 30 Millionen Ägypter, heute sind es fast 90 Millionen“, weist der 73-Jährige auf ein Problem hin.

Seit der Revolution vor zwei Jahren seien die Nahrungsmittelpreise explodiert, haben sich verdoppelt. Benzin ist Mangelware, lange Schlangen vor den Tankstellen alltägliches Bild. Am Boden sei auch der Tourismus. Das Hotel in Luxor, in dem Klinkhammer oft wohnt, sei nur noch zu zehn bis zwölf Prozent belegt. „Früher musste man dort rechtzeitig reservieren. Heute ist es leer.“ Er könne nur hoffen, sagt der dreifache Großvater, dass das Land „wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt.“ Wie, weiß aber auch er nicht.

Nichts gelöst habe der jüngste Militärputsch gegen die Moslembrüder. „Die Militärs wollten die radikale Lösung. Das hat aber nichts mit Demokratie zu tun.“ Klinkhammer hätte sich gewünscht, dass der Westen, die USA, Frankreich, England und Deutschland mäßigend auf das Mursi-Regime eingewirkt hätten. Ohne die als einzige Kraft im ganzen Lande gut organisierten Moslems gebe es keine Lösung der Krise.

Die Militärs in der Zeit nach dem erzwungenen Rücktritt von Mubarak vor über zwei Jahren hätten lediglich die Kassen geplündert. Den Moslem-Brüdern wirft Klinkhammer vor, nichts gegen das Analphabetentum getan zu haben. Dieses liege nach wie vor bei rund 40 bis 50 Prozent der Bevölkerung und treffe „besonders Mädchen und Frauen.“

Die Zukunft sieht Klinkhammer düster: „Ich hoffe, die Auseinandersetzungen gehen nicht wie in Algerien in einen jahrelangen Bürgerkrieg über mit einem Verbot der Moslemorganisationen und vielen Toten.“ Deutschland könne trotzdem vieles tun. „Ernährung und Bildung als Entwicklungspolitik statt Waffenlieferungen.“ Einreiseerleichterungen und Hilfe für die Bootsflüchtlinge seien weitere Punkte. Aber er glaubt daran nicht so recht: „Deutschland ist ein Rechtsstaat ohne Gerechtigkeit.“