Mit dem Rolli aufs Parkett
Seit 20 Jahren wird in Krefeld Gesellschaftstanz für Behinderte angeboten. Mittlerweile gibt es schon drei Gruppen.
Krefeld. Es ist Freitagabend in den Klubräumen des TC Seidenstadt. Zu den Klängen eines Wiener Walzers schwingen sich gehend und rollend die Seidenrollis über das Parkett. Seit 20 Jahren gibt es in Krefeld schon das Tanzangebot für Menschen mit Behinderungen - im Oktober wird im kleinen Kreis der Geburtstag gefeiert.
1990 hat alles mit einer Arbeitsgruppe an der Rheinischen Körperbehindertenschule, der heutigen Gerd-Jansen-Schule, am Luiter Weg angefangen. Die Gruppe schloss sich dem TTC Philadelphia Krefeld an, wechselte 1995 zum TC Seidenstadt.
Von Anfang an dabei ist die heutige Abteilungsleiterin Andrea Honshaw. "Ich habe damals an der Schule meine Ausbildung zur Erzieherin begonnen", sagt die 40-Jährige. "Die Gründerin Gesche Stuhlweißenburg fragte mich, ob ich nicht als Fußgänger mitmachen möchte. So bin ich zu meinem ersten Rollstuhl-Tanzpartner gekommen." Mit Norbert Semmler tanzte sie viele Jahre erfolgreich auf Turnieren, sie wurden unter anderem 2004 Deutsche Meister. Mittlerweile hat Honshaw ihre aktive Tanzkarriere an den Nagel gehängt.
Rund 60 Mitglieder verzeichnet der Bereich beim TC Seidenstadt. Getanzt wird in drei Gruppen. Die Handicap-Dancers sind eine reine Fußgängergruppe für Menschen mit geistiger Behinderung. Seit 1997 wird der Tanzsport auch für Kinder und Jugendliche unter dem Namen "Dance 4 Kids with Handicap" angeboten. Die Seidenrollis sind eine Mischgruppe aus Rollstuhlfahrern und Fußgängern.
"Die Fußgänger, die bei uns mitmachen, sind Ehepartner, Freunde oder Leute, die Lust darauf haben", sagt Honshaw. Das Ehepaar Antje und Richard Tippett hat beispielsweise immer gern getanzt. Seit ihre Multiple Sklerose-Erkrankung sich verschlimmert hat, sitzt sie im Rollstuhl. "Für uns ist das eine ganz tolle Sache, weil man plötzlich wieder gleichberechtigt ist", sagt die 47-Jährige.
Denn der Rollstuhlfahrer ist keineswegs abhängig vom Fußgänger oder wird von ihm nur durch den Raum gezogen. "Wichtig ist, dass beide Tänzer viel Spannung halten", sagt Honshaw. Unterschiede zu den Schritten beim Gesellschaftstanz ohne Rollstuhl gibt es für den Fußgänger kaum. "Man kann nur keine Seitwärtsbewegungen mit dem Rollstuhl machen", sagt Richard Tippett.
Anika Deblin macht bei den Seidenrollis mit, weil es ihr Spaß macht. Die 25-Jährige aus Tönisvorst tanzt seit kurzem mit ihrem Partner, Rollstuhlfahrer Peter Mand, auch im Breitensport. Bei ihrem ersten Turnier im Juni in Köln landeten sie auf dem ersten Platz. Honshaw: "Ich sage immer, sie kamen, sahen und siegten."