Rathaus Fischeln: Kuriositäten unterm Dach
Wo hat der Bürgermeister gewohnt? Für Ärzte oder Anwälte wäre das Gebäude perfekt.
Krefeld. Der Besuch beginnt mit einer Enttäuschung. Im Dachgeschoss des Rathauses in Fischeln hat es, anders als vermutet, wohl nie eine repräsentative Bürgermeisterwohnung gegeben. „Der Grundriss lässt eher vermuten, dass dort Amtsstuben waren“, sagt Eva-Maria Eifert. Sie ist Sachgebietsleiterin Gebäudeinstandhaltung bei der Stadt und macht als Herrin der Schlüssel die Ortsbesichtigung an der Kölner Straße erst möglich.
Der Weg zum Dachgeschoss stärkt die These, dass dort oben nie ein Bürgermeister seine Bleibe hatte. Wer nach oben will, muss über den Hof kommen. Im Gebäude folgt eine enge Wendeltreppe. Großzügig geht anders. Im Dachgeschoss dann eine Überraschung: Ein breiter Flur gibt den Blick auf Zimmer frei, die größer sind, als dies bei Amtsstuben zu erwarten gewesen wäre.
„Bis 2007 war die Wohnung vermietet“, erzählt Eifert. „Dann sind die Mieter ausgezogen, nicht zuletzt, weil die Heizkosten zu hoch waren.“ Seitdem herrscht Leerstand. Sieben Zimmer gibt es im Dachgeschoss. Plus Küche, Diele und Bad. Alles auf 160 Quadratmetern. Hinzu kommt ein Speicher, der die Grundfläche auf mehr als 200 Quadratmeter wachsen lässt.
Beim Rundgang fallen skurrile Dinge auf: In einem Raum, der von den Mietern offenbar als Schlafzimmer genutzt wurde, gibt es zwei Einbauschränke: einer mit der passenden Tiefe für Akten, einer für Kleidung. Es sieht so aus, als hätte es sie dort immer schon gegeben.
„Vielleicht hat ein Amtmann hier gearbeitet und gewohnt“, vermutet Eifert. Unüblich sei das damals nicht gewesen. Dass die Schränke nachträglich eingebaut wurden, hält sie für wenig wahrscheinlich. „Das Besondere an der Wohnung und am ganzen Rathaus ist, dass nichts Grundlegendes an- oder umgebaut wurde. Meist sehen wir den Originalzustand. Das Gebäude ist deshalb ein echtes Schmuckstück.“
Zu den Kuriositäten im Dachgeschoss gehört ein kleiner Lastenaufzug. Offensichtlich wurden damit Akten zwischen den Etagen hin- und hergeschickt. Nicht weit vom Aufzug entfernt erlauben große Fenster den imposanten Blick auf den Sitzungssaal im 1. Obergeschoss des denkmalgeschützten Rathauses. Die Beamten von einst konnten das Geschehen im Saal bestens verfolgen.
Ein Raum im Dachgeschoss versprüht wie kein anderer den Charme der 1970er-Jahre. Dort wurde nachträglich eine kleine Bar eingebaut. Dunkles Holz bestimmt die Szenerie. Und eine Bildtapete, die eine verklinkerte Wand vortäuscht. Wer das Ensemble in Ruhe auf sich wirken lässt, hört förmlich das Lachen der Gäste von vor 40 Jahren.
Und wo hat nun der Bürgermeister gewohnt? Ganz einfach: Eine Etage tiefer im 1. Obergeschoss des Rathauses neben dem Sitzungssaal. Alte Grundrisse zeigen, dass dort einmal eine ebenfalls 160 Quadratmeter große, sehr repräsentative Wohnung war. Dort dürfte Wilhelm Stefen, Bürgermeister von 1910 bis zur Eingemeindung Fischelns 1929, residiert haben.
Vermutlich in den 1960er-Jahren wurde die Wohnung stark verkleinert. Sie ist bis heute vermietet. Im restlichen Teil haben die Bezirkspolizisten ihre Dienststelle. Wer sie aufsucht, muss nicht über eine enge Wendeltreppe gehen, sondern nimmt wie einst Wilhelm Stefen den Weg durch das großzügige Treppenhaus.
Auf die Zukunft des in weiten Teilen leerstehenden Rathauses angesprochen, halten sich Eifert und ihr Kollege Klaus Palm bedeckt. „Dazu gibt es noch keine abgestimmte Meinung der Verwaltung“, sagt Eifert.
Fakt ist, dass das Gebäude vor wenigen Jahren von außen aufwendig saniert wurde. Rund 370 000 Euro flossen in Fassade, Dach und neue Fenster. Das Land beteiligte sich daran mit 110 000 Euro. Die Kosten für die Instandsetzung des Dachgeschosses wären also überschaubar. In einer groben Schätzung geht die Stadt von 25 000 Euro aus. Angesichts der zentralen Lage im Herzen Fischelns böte sich eine Nutzung als Arztpraxis oder Anwaltskanzlei an.
Voraussetzung dafür wäre allerdings der Bau eines Aufzugs bis zum Dachgeschoss — sei es im Innenhof oder im Gebäude selbst. Eva-Maria Eifert beziffert die Kosten auf rund 250 000 Euro. Dass die Stadt angesichts leerer Kassen davor zurückschreckt, liegt auf der Hand. Denkbar wäre aber auch, dass die Stadt Teile des Rathauses verkauft und die notwendigen Bauten einem Investor überlässt.