Totgesagte leben länger

CDs und Downloads aus dem Internet machen es der Schallplatte schwer. Doch einige Menschen wissen genau, was sie an ihr haben.

Krefeld. Wenn Michael Stahl seinen Laden aufschließt, steht er sofort inmitten seiner Schätze. So um die 1000 Stück sind es, materiell mal mehr, mal weniger wertvoll. Stahls Schätze, das sind Schallplatten - Musik und Lebensgefühl auf Vinyl gepresst. "Ich bin kein Format-Fetischist", sagt der 50-Jährige. "Aber Platten zu hören, gibt der Musik eine andere Wertigkeit als etwa der schnelle Download aus dem Internet."

Wer ausgerechnet im beschleunigten Zeitalter noch Schallplatten kauft, wirkt heute fast wie eine besondere Spezies. Leute, die zu Hause Vinyl auf den Plattenspieler legen, vorsichtig die Nadel daraufsetzen und der Scheibe beim Rotieren zusehen. Keine CD, die im Player verschwindet und erst recht keine Reduktion auf ein paar Daten, die man sich auf seinen MP3-Player laden kann.

"Die Beliebigkeit der CD geht vielen Leuten auf die Nerven", sagt Stahl. Sie sei meistens nicht besonders schön gestaltet und habe praktisch keinen Wiederverkaufswert. Ganz anders sieht das bei der oft totgesagten Schallplatte aus: "Je nach Künstler gibt es ja manchmal nur Kleinstauflagen von 200 oder 300 Stück", sagt er. "Das sind zum Teil echte Sammelobjekte." Doch vielen Plattenkäufern komme es nicht nur aufs Sammeln an.

Das Vinyl setzt ein Mindestmaß an Muße voraus, bietet ein haptisches Erlebnis, das kein MP3-Player bieten kann. "Man zappt nicht einfach so von Lied zu Lied und stellt irgendwann fest, dass man eigentlich nur zwei Tracks kennt", sagt Stahl. "Man nimmt die Musik wieder so wahr, wie sie es verdient."

So wird die Schallplatte zum Kontrapunkt in hektischer Zeit und letztlich auch zur "Geiz ist geil"-Mentalität: Sie ist meist teurer als die CD und teurer als der Download sowieso.

Trotzdem ist sie jeden Cent wert, meint auch Volker Heisters (49), Stammkunde in Michael Stahls Plattenladen Unrock. Er besitzt zwischen 7000 und 8000 Platten - darunter viele neuere Sachen. "Stilistisch hängt das meiste zwischen allen Stühlen", sagt er.

Zur Platte greift Heisters nicht aus ideologischen Gründen, sondern durchaus auch aus pragmatischen: "Digitale Tonträger gehen kaputt", sagt er. Unzählige CDs aus den 80ern seien wegen ihrer chemischen Zusammensetzung heute gar nicht mehr abspielbar. "Mit Vinyl kann einem das nicht passieren." Und: "Eine Platte spricht fast die ganze Palette der menschlichen Sinne an." Heisters schätzt das große Cover, das oft liebevoll gestaltete Booklet, den Geruch von Vinyl und dass man an den Rillen die lauten und leiseren Stellen erkennen kann. "Das ist fast wie Keilschrift", sagt er. "Kein Vergleich zur CD." Davon besitzt er zwar auch rund 1500 Stück. Doch das musikalische Herz schlägt fürs schwarze Großformat. "Es ist jedes Mal ein sinnliches Erlebnis", sagt er. Klar, dass es das nicht in digitaler Form geben kann.