Um 3.30 Uhr bebte ganz Krefeld
Die Sprengung der Uerdinger Brücke heute vor 70 Jahren war der Schlussakt der Eroberung Krefelds 1945. Vorausgegangen waren zahlreiche Pannen auf deutscher Seite.
Krefeld. In den letzten Stunden zeigt der Krieg heute vor 70 Jahren nochmals seine zynische Fratze. Krefeld ist fast komplett von den Amerikanern besetzt, allein in Uerdingen gibt es noch Widerstand. Doch es geht nicht um den heutigen Krefelder Stadtteil, es geht nicht um die Menschen, es geht nicht um die NS-Ideologie — es geht nur noch um ein Stahlgerüst, dass keine zehn Jahre zuvor für 6,3 Millionen Reichsmark über den Rhein errichtet worden ist.
Die Verteidiger stecken in einer Zwickmühle: Die Brücke darf den Amerikanern nicht intakt in die Hände fallen, um den rasanten Vormarsch der Alliierten aufzuhalten. Also wollen die Kommandeure sie sprengen. Noch strömen Menschen über die Brücke — verängstigte Zivilisten wie abgekämpfte Soldaten. Hitlers Befehlshaber interessieren sich nur für die Soldaten, sie wissen: Wer bei der Sprengung noch auf der linken Rheinseite ist, der ist für weitere Kämpfe verloren.
Dennoch hat der Fanatismus noch viele Regimeanhänger fest im Griff. Hitlers Politik der verbrannten Erde soll auch am Niederrhein umgesetzt werden. Schon Wochen zuvor haben Pioniere der Wehrmacht die Rheinbrücke von Uerdingen nach Mündelheim mit Sprengladungen versehen.
Offiziell sollte die Stadt Krefeld laut NS-Propaganda zwar verteidigt werden, doch faktisch geht es Anfang März 1945 nur noch um die Rheinbrücke. So sind die letzten kampfstarken Truppen zur Verteidigung der Brücke abgezogen worden und auch die Amerikaner haben an der restlichen Stadt kein strategisches Interesse, konzentrieren das Artillerie-Feuer doch weitgehend auf die östliche Rheinseite, wo der Kommandostand liegt, von dem aus die Brücke gesprengt werden soll.
Auch wenn die Amerikaner mit ihrem Beschuss die Brücke verfehlen, gelingt es ihnen doch ungewollt, die Leitungen zu den Sprengladungen zweimal zu beschädigen, so dass die Deutschen nachbessern müssen und sich schließlich zu einem Strategiewechsel entscheiden: Die Brücke soll nicht mehr als Ganzes, sondern abschnittsweise zerstört werden. Zuerst der Pfeiler auf der Krefelder Seite.
Doch auch dieser Plan schlägt fehl, da bereits heftig um den Brückenkopf gekämpft wird und die Sprengung nur starke Schäden verursacht. Noch einmal sterben dort Dutzende Menschen auf beiden Seiten. Zum Tagesende des 3. März beschließt der deutsche Befehlshaber auf dem rechten Rheinufer deshalb, einen mit Sprengstoff beladenen Lkw in der Mitte der Brücke zu zünden.
Wie die Stunden vor der Detonation genau verlaufen sind, ist umstritten: Einzelne Quellen berichten, dass es ein US-Spähtrupp bis auf die Ostseite der beschädigten Brücke geschafft, sich dann aber wieder zurückgezogen habe. Andere Quellen bestreiten dies. Fakt ist nur: Um 3.30 Uhr erschüttert die Explosion des Lastwagens auf der Brücke die ganze Umgebung. Rund zwei Stunden später stürzen die letzen Teile der Brücke in den Rhein.
Krefeld rückt damit umgehend aus dem Blickfeld der Kämpfe. In Wesel wird weitergekämpft, und wenige Tage später wird die Brücke bei Remagen intakt erobert. Krefeld ist zu dem Zeitpunkt bereits vergessen.