CO-Pipeline: Das Jahr der 3700 Stahlrohre

Der Bau der Kohlenmonoxid-Leitung war das zentrale Thema im Kreis Mettmann und wird es auch im kommenden Jahr sein.

<strong>Kreis Mettmann. Das Jahr 2007 war im Kreis Mettmann das Jahr der Pipeline und Proteste. Ein Jahr der Ängste und Argumente. Und ein Jahr der Bürger und Bürokratie. Am Anfang aber war das Gesetz. Ganz unscheinbar, kaum wahrnehmbar in den Bergen von Papieren und Sitzungsunterlagen, mit denen Landtagsabgeordnete im Plenum und Ausschüssen in Düsseldorf tagtäglich zu kämpfen haben. Die Landtags-Drucksache 14/909 war aber ein Gesetz, das es in sich hatte. Das "Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen", am 15. Dezember 2005 erstmals als Entwurf zu Papier gebracht, beinhaltete Hochbrisantes. Zum einen Kohlenmonoxid, zum anderen das Thema Enteignung. Und die ist im Paragrafen 14 des Grundgesetzes nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Von dem Chemikonzern Bayer ist in der Drucksache 14/909 keine Rede, nur von der Stärkung der nordrhein-westfälischen Chemieindustrie.

Aus Drucksache 14/909 wurde das Pipeline-Gesetz

Dabei hatte alles schon 2004 im Düsseldorfer Landtag begonnen. Das Projekt einer Propylen-Leitung quer durch Europa begeisterte die Politiker aller Fraktionen. Ob SPD oder CDU, ob Grüne oder FDP - alle wollten diese Leitung, deren Verlegung als letztes Mittel der Realisierung auch schon Enteignungen vorsah. Dass dann auch noch Bayer eine Kohlenmonoxid-Pipeline und Wingas eine Gas-Leitung verlegen wollten - im Düsseldorfer Landtag hatte man weder unter der rot-grünen noch unter der schwarz-gelben Landesregierung ein Problem damit. Gerade einmal vier Monate dauerte es, bis im März 2006 aus der Drucksache 14/909 das Gesetz wurde. Übrigens einstimmig von Regierung und Opposition verabschiedet. Für die Formalie wie das Planfeststellungsverfahren war dann die Bezirksregierung zuständig.

Meterweise Aktenordner für das Planfeststellungsverfahren

Aber warum dauerte es fast noch ein ganzes Jahr, bevor sich der Protest regte? Zum einen lag es wohl am Durchwinken des Gesetzes auf der politischen Ebene. Da es keinerlei Bedenken gab, nahm die Bürokratie ihren Weg. Gas, Propylen, Kohlenmonoxid einerseits, Standortsicherung und ein neuer, sicherer Transportweg unter der Erde anderseits mögen der Grund dafür gewesen sein. In den Planungsämtern in Monheim, Langenfeld, Hilden, Erkrath und Ratingen standen meterweise Aktenordner. Wer die durcharbeiten wollte, brauchte Geduld. Der Inhalt war gleich: Alle Pläne und Unterlagen für eine Pipeline, die quer durch den Kreis Mettmann gehen sollte.

Erste Bedenken gegen die Pipeline gab es schon im Februar

Es lässt sich heute nicht mehr genau nachvollziehen, ob es Monheims Bürgermeister Dünchheim oder ein betroffener Anlieger war, der auf die Gefahren hinwies. Fest steht nur, dass im Februar das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen und erste Bedenken seitens der Städte geäußert worden waren. So zum Beispiel in Erkrath, wo man die Verlegung der Pipeline auf Erkrather Gebiet grundsätzlich ablehnte. Die Abdeckung der Leitungen bereitet den Verantwortlichen ebenso Sorge wie die Vielzahl der Leitungen, die bereits in der Erde liegen. "Drei Gasleitungen, eine Ethylen-, eine Öl- und eine 110- Kilovolt-Stromleitung", zählte Erkraths Technischer Dezernent Klaus-Dieter Holst.

Auch nach dem Ausstieg des Propylen-Projektes ging es weiter

Als im Februar das Propylen-Projekt aus wirtschaftlichen Gründen gestoppt wurde, machte Bayer mit dem 40-Millionen-Euro-Projekt alleine weiter. Der Konzern benötige die 70 Kilometer Pipeline, um "die Wettbewerbsfähigkeit des Chemiestandortes Krefeld-Uerdingen zu erhalten", hieß es aus dem Unternehmen. Im März stellte dann der Grünen-Politiker Reiner Priggen eine kleine Anfrage in dieser Sache an die Landesregierung. Thomas Dünchheim gab Anfang April auf einer Bürgerversammlung einen ersten Sachstandbericht gab. Er sprach für den Fall eines Rohrbruchs gar von einem "Todesstreifen, aus dem die Feuerwehr nicht rettet, sondern birgt". "Warum hat es Bayer mit der Pipeline so eilig", fragte Hildens Bürgermeister Günter Scheib, der zugab, dass man "in Politik und Verwaltung die Brisanz des Themas erst erkannt habe, als die Lage ernster wurde". Von da an nahm der Protest in Form von Bürgerversammlungen Mahnwachen und Demonstrationen seinen Lauf.

Bauwut oder "Bayer soll die Bagger stoppen"

So wie die Bagger, die sich seitdem durch den Kreis wühlen. "Bayer soll die Bagger stoppen. Bayer bietet mit seinem Vorgehen kein gutes Beispiel im Umgang mit den Bürgern" - Landrat Thomas Hendele war sichtlich erzürnt über das Verhalten des Chemieunternehmens, im Kreis Mettmann weiter munter an der Kohlenmonoxid-Pipeline zu bauen, obwohl sich das Verwaltungsgericht - damals noch in Düsseldorf, später in Münster - mit den Aussetzungsanträgen von betroffenen Bürgern beschäftigte.

"Der Kreis Mettmann bekennt sich zu seinen Industriestandorten und hat sich auch nie über Bayer in seiner Nachbarschaft beklagt. Aber warum muss die einzige Pipeline Deutschlands mit dem hochgiftigen Kohlenmonoxid ausgerechnet durch den dicht besiedeltesten Kreis der Republik führen?", fragte Hendele damals.

Der Mann sollte Recht behalten. Zumindest im ersten Teilerfolg, den die Pipeline-Gegner beim Oberverwaltungsgericht Münster erstritten haben.

Das Gericht ist nämlich nicht überzeugt davon, dass die Bedeutung der CO-Leitung für die Allgemeinheit so groß ist, dass Bayer als privates Unternehmen die Leitung mit staatlicher Enteignung auf fremden Grundbesitz verlegen darf. Das Gericht stellt auch in Frage, ob der erstrebte positive Effekt für die Allgemeinheit, also die Stärkung der Wirtschaftskraft der Industriesparte und der Region auch für die Zukunft hinreichend abgesichert ist.

Schließlich sieht das Gericht Klärungsbedarf bezüglich der genehmigten Trassenführung sowie des Verzichts einer linksrheinischen Trassenführung. Die Folge: Bayer darf die Pipeline zu Ende bauen, aber nicht in Betrieb nehmen.

Spannend wird es zudem Ende Januar, wenn das Oberverwaltungsgericht über die Beschwerden in den Verfahren zur vorzeitigen Besitzeinweisung, sprich Enteignungen, entscheidet.

So lange wird der Düsseldorfer Landtag als Verursacher dieses Dilemmas nicht warten können oder wollen. Der CDU-Landtagsabgeordneten Hans-Dieter Clauser brachte es auf den Punkt. "Wir haben Zeit gewonnen. Ich kann aber zurzeit noch nicht erkennen, wie das Thema jetzt zukünftig im Landtag behandelt werden wird."