Fall Vauth Lothar Vauth: Die „Dankeschön-Affäre“ ist zurück
Am Freitag steht Lothar Vauth vor Gericht, der einst ein abstruses Parteispendensystem für die SPD entwickelt haben soll. Hauptfigur war Minister Ralf Jäger.
Krefeld/Tönisvorst. Der Kölner Anwalt Björn Gercke erwartet einen eher kurzen Auftakt. Der Mann vertritt Lothar Vauth. Ex-Karnevalsprinz von Tönisvorst, Ex-Landratskandidat im Kreis Viersen, Ex-Rechtsanwalt in Krefeld. Und angeblich schwer krank. Wie schwer, darüber streiten seit Jahren die Gutachter. Fakt ist: Am Freitag startet um 9 Uhr vor dem Krefelder Landgericht doch noch der Prozess gegen den einst so umtriebigen Sozialdemokraten. Und ganz Deutschland guckt darauf.
Mit gemischten Gefühlen. Denn der Fall Vauth hat neben der juristischen Komponente eine politische, mit NRW-Innenminister Ralf Jäger in der Hauptrolle. Die sogenannte „Dankeschön-Spenden“-Affäre ist zurück. Nach fast sechs Jahren, seit sie öffentlich geworden ist. Sechs Jahre, in denen Vauth geschwiegen hat. Nach Auffassung seiner Verteidigung ist er nicht verhandlungsfähig. Verkürzt lauten die Vorwürfe so: Parteispenden gegen Gutachtenaufträge von Betrieben der öffentlichen Hand. Die Ermittlungen dazu verlaufen im Sande.
Das allerdings ist nicht Gegenstand des jetzigen Verfahrens. Angeklagt ist der heute 50-Jährige wegen gewerbsmäßiger Untreue in 923 Fällen, bei denen ein Schaden von 1,9 Millionen Euro entstanden sein soll. Die Anzeige seiner Krefelder Kanzlei-Teilhaber stammt aus dem Jahr 2009. Fast vier Jahre hat die Staatsanwaltschaft danach ermittelt. Über 20 Aktenordner füllt das, was sie zusammengetragen haben, 26 000 Transaktionen wurden gesichtet. Vauth soll die Taten gemeinsam mit seiner Ehefrau Jessica begangen haben, die sich wegen Beihilfe zur Untreue verantworten muss.
Beide sollen unter anderem Mandantengelder auf Sozietäts-Konten überwiesen haben, beziehungsweise auf Konten, die eigens angelegt worden waren. Das Geld sei zum Teil nie oder nur mit Verzögerungen an die Mandanten ausgezahlt worden. Auch habe das Ehepaar Mahnschreiben und Klageerhebungen fingiert, um das eigene Vorgehen zu verschleiern. Beide hätten sich — so der Vorwurf — auf diese Weise eine zusätzliche Einnahmequelle verschafft.
Mittlerweile ist die renommierte Kanzlei, deren Geschäfte Vauths Ehefrau führte, insolvent. Nach Informationen unserer Zeitung haben frühere Gesellschafter zum Teil erhebliche Summen leisten müssen, um aus der Schuldnerhaftung zu kommen. Ein ehemaliges Sozietäts-Mitglied befindet sich in Privat-Insolvenz, ein weiteres soll flüchtig sein. Ein früherer Seniorpartner, der nur eine winzige Beteiligung gehalten hatte, hat sich das Leben genommen.
Politisch hätte Vauth fast für einen Erdrutsch gesorgt. Aus der Anzeige, die seine Kanzlei-Partner seinerzeit gegen ihn angestrengt haben, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“: „Vauth hat ein System etabliert, mit welchem er im Wahlkampf stehenden Politikern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands Gelder für die Bestreitung des Wahlkampfs beschafft. Seit Mitte 2007 bemühte sich Vauth vermehrt und intensiv darum, Mandate bei kommunalpolitischen Wirtschaftsunternehmen zu erlangen.“
Der prominenteste Fall spielte demnach 2008 in Duisburg. Ralf Jäger, damals gleichsam Chef der mächtigen Duisburger SPD und Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Gesellschaft für Bildung (GfB), empfahl seinen GfB-Kollegen die Kanzlei Vauth für die Erstellung von fünf Rechtsgutachten, für die insgesamt 17 374 Euro fließen. Vauth sorgte dafür, dass Ende 2008 9000 Euro Parteispenden auf dem Konto der SPD landen, überwiesen im Namen zweier Kanzlei-Kollegen. Als diese plötzlich eine Spendenquittung von den Duisburger Genossen erhalten hatten, drohten sie mit Anzeige. Die SPD überwies das Geld zurück.
Jägers Umgang mit der Situation ist bemerkenswert. Er bestritt einen kausalen Zusammenhang zwischen GfB-Auftrag und Spende und forderte die Justiz sogar dazu auf, die gegen ihn erhobenem Vorwürfe zu prüfen. Den Anwalt Vauth will er zuerst nur flüchtig gekannt haben, später stellte sich heraus, dass er seinen Genossen aus Tönisvorst im Landratswahlkampf beraten und selbst juristischen Rat von Vauth in einer privaten Verkehrssache erhalten hatte. Im Innenausschuss kommentierte Jäger laut „SZ“ die Frage nach seinem Rücktritt, sollte die Staatsanwaltschaft Belastendes finden, mit: „Ich antworte nur auf ernsthafte Fragen.“
Die „WAZ“ berichtet überdies von Zahlungen der Duisburger Wirtschaftsbetriebe AöR an Vauth. Die Summe von 13 378,50 Euro soll für Gutachten mit den Themen „Preisgestaltung der Müllverbrennung“ und „Arbeitsvertragliche Fragen der Beschäftigten“ geflossen sein. Vauth ist Fachanwalt für Erb- und Familienrecht. Der „WAZ“ zufolge gibt es zudem Zweifel an der Qualität der Vauth-Gutachten. Zumindest eines der Papiere für die GfB mit Aufsichtsrat Jäger stecke voller wörtlicher Abschriften aus dem Internet.
Hier ergibt sich eine Parallele zum benachbarten Moers. Dort suchte SPD-Bürgermeister Norbert Ballhaus 2008 den juristischen Rat des Erb- und Familienrechtlers aus Krefeld. Es ging um eine baurechtliche Angelegenheit. Ballhaus wollte ein Sportzentrum schließen und erwirkte dies mithilfe eines Vauth-Gutachtens über Nacht. 10 000 Euro zahlte Ballhaus aus der Stadtkasse für dieses und ein weiteres Vauth-Gutachten, mindestens eines davon wurde später als völlig überteuert eingestuft. Beim Unterbezirk Wesel ging eine Spende ein mit dem Verwendungszweck „BUERGM Moers“. Ballhaus wollte, als die Vauth-Affäre 2011 öffentlich wurde, von der Spende nichts gewusst haben, wurde letztendlich vom Rat gerügt und von den Moersern 2014 nicht wiedergewählt.
Der Tipp auf die Vauth-Kanzlei kam laut Ballhaus seinerzeit übrigens vom heutigen Kreisgeschäftsführer der Viersener SPD, Hans Smolenaers, damals in dieser Funktion im Unterbezirk Wesel tätig. Dort, wo die Spende einging. Der Neuen Rhein Zeitung bestätigte Smolenaers seinerzeit: Es kann sein, dass wir über die Kanzlei gesprochen haben.“ Dessen Sohn arbeitete zur besagten Zeit in der Krefelder Sozietät von Vauth.