Fall Mirco: Olaf H. früher auch Opfer sexueller Gewalt?
Wurde der geständige Mörder des kleinen Mirco als Kind selbst Opfer eines Sexualverbrechers? Das zumindest hat Olaf H. den Ermittlern erzählt. Nachdem er aber schon einmal gelogen hat, ist die Polizei skeptisch.
Mönchengladbach. Der geständige Mörder des kleinen Mirco ist nach eigener Darstellung als Kind selbst sexuell missbraucht worden. Das habe Olaf H. in seiner Vernehmung gesagt, bestätigte ein Polizeisprecher am Montag in Mönchengladbach. „Er hat sehr viele Varianten erzählt“, erläuterte der Sprecher, „das ist eine der Geschichten.“ Beweise, die diese Darstellung untermauern, gebe es bislang aber nicht.
Der Verteidiger von Olaf H., Gerd Meister, sagte der Deutschen Presse-Agentur, sein Mandant habe den Missbrauch nur angedeutet und sich noch nicht näher dazu eingelassen. „Er ist in einem psychisch sehr labilen Zustand“, erläuterte Meister. Grundsätzlich sei Olaf H. aber bereit, sich dazu gegenüber einem Psychologen zu äußern.
Nachdem sich bereits der von H. als Tatmotiv genannte Druck durch seinen Chef als gelogen herausgestellt hat, stuft es die Polizei als „äußerst fraglich“ ein, ob der Mann tatsächlich im Kindesalter Opfer wurde. Derzeit untersuchen die Ermittler, ob der dreifache Vater noch mehr Morde an Kindern begangen haben könnte. Dazu erstellen sie ein Bewegungsprofil des 45-Jährigen aus den vergangenen Jahrzehnten.
Er hat am Niederrhein in mehreren Städten gewohnt: in Korschenbroich, Mönchengladbach und zuletzt in Schwalmtal. Verteidiger Meister betonte, bisher gebe es „nicht den geringsten Hinweis auf weitere Taten“ und „keine Auffälligkeiten“ im Vorleben seines Mandanten.
Die umfangreichen Aussagen des Beschuldigten werden inzwischen auch von einem Kriminalpsychologen auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Die Durchsuchung eines stillgelegten Tierparks zwei Kilometer von seinem Wohnort entfernt hatte keine weiteren Spuren ergeben. „H. hatte einen Schlüssel für dieses Gelände. Deswegen haben wir es untersucht“, erklärten die Ermittler.
Die Polizei ging auch Zeugenaussagen nach, wonach der Telekom-Mitarbeiter nach der Entführung von Mirco in seinem Garten gegraben hatte. Der Verdächtige habe aber anscheinend nur an einem Fischteich gearbeitet. Auch wenn Olaf H. nicht unmittelbar vor der Tat von seinem Chef „zusammengefaltet“ wurde, könnten Probleme im Beruf oder in der Ehe durchaus der Auslöser des Mordes an Mirco gewesen sein, wie der Kriminalist und Autor Stephan Harbort der dpa sagte.
„Menschen, die Probleme beim Umgang mit Konflikten haben, reagieren ihre Minderwertigkeitsgefühle manchmal an einem Zufallsopfer ab“, sagte Harbort, der mehrere Bücher über Serienmörder veröffentlicht hat. Dieser Tätertyp sei sogar häufiger als der pädophile oder sadistische Täter.
Dass es dabei auch zu sexuellen Handlungen komme, sei kein Widerspruch. „Es handelt sich dann um sexualisierte Gewalt und nicht um pervertierte Sexualität. Dem Täter geht es also nicht um sexuelle Befriedigung, sondern in erster Linie um Machtausübung.“
Auch sei es kein Widerspruch, dass Olaf H. als Bereichsleiter beruflich selbst in einer Machtposition war. „Über jedem Chef steht noch ein Chef. So eine Sandwich-Position kann sehr unangenehm und konfliktträchtig sein, wenn man damit nicht umgehen kann“, sagte Harbort.
Dass H. zweimal geschieden worden sei, könnte nach Harborts Ansicht ein Indiz dafür sein, „dass er bestimmte Konfliktsituationen nicht so lösen konnte wie vielleicht andere“. Taten wie der Mord an Mirco hätten meist eine jahrelange Vorgeschichte. Als Ersttäter sei H. mit 45 Jahren allerdings recht alt. „Mehrheitlich sind solche Täter bei der ersten Tat 16 bis 35 Jahre alt.“
Der Familienvater sitzt seit eineinhalb Wochen in Untersuchungshaft. Er hat laut Polizei gestanden, Mirco getötet zu haben. Dem Mann wird auch sexueller Missbrauch vorgeworfen. Nach seiner Festnahme führte er die Ermittler in ein Waldstück zu Mircos Leiche. Der zehn Jahre alte Junge war am 3. September im niederrheinischen Städtchen Grefrath verschwunden.