Loveparade: Der verlorene Kampf um ein besseres Image
Das Festival sollte das Ruhrgebiet bei jungen Leuten attraktiv machen. Duisburg wollte das Projekt um jeden Preis.
Duisburg. Das Ruhrgebiet versteht sich gern als Millionen-Metropole. So war es auch vor vier Jahren, als der Fitness-Mogul Rainer Schaller nach einem Austragungsort für das Mega-Event Loveparade suchte. Unter dem Markennamen "Metropole Ruhr" sollte die Party das Image des ehemaligen Kohlenpotts aufpolieren.
Doch die Metropole Ruhr als Einheit existiert nicht. Statt die Loveparade über die A 40 durchs Revier zu schicken, vereinbarte man mit dem Veranstalter, dass die Party jährlich in einer anderen Stadt steigen sollte.
Wer nach den Hintergründen der Katastrophe von Duisburg fragt, muss genau hier ansetzen. Denn schon damals gab es Bedenken, ob die engen Ruhrgebietsstädte überhaupt dem Ansturm von hunderttausenden Techno-Fans gewachsen seien. Die Stimmen wurden leiser, als die Parade 2007 und 2008 ohne größere Schwierigkeiten in den größten Revierstädten Essen und Dortmund stattfand. Das schlechte Gefühl blieb. Auch weil sich gezeigt hatte, wie schwierig es ist, solche Menschenmassen zu lenken.
Im vergangenen Jahr sollte die Parade dann durch Bochum ziehen. Doch die Stadt zog die Notbremse und musste dafür öffentlich Schelte einstecken. "Geht nicht, gibt’s nicht", lautete ein Kommentar in der Lokalpresse.
In Duisburg wollte man sich diese Blöße nicht geben. Schließlich hätte eine weitere Absage wohl das Aus der Loveparade im Ruhrgebiet bedeutet. Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) habe die Loveparade zur Chefsache erklärt, heißt es in Verwaltungskreisen. Jegliche Kritik prallte am Verwaltungschef ab.
Und dabei gab es frühzeitig Warnungen. Bereits im Oktober 2009 soll die Feuerwehr gemahnt haben, dass die Zuführung der Partygäste über den Tunnel zu gefährlich sei. Dass man bereits damals mit rund einer Million Besucher rechnete, geht aus einer Mitteilung des Ordnungsamtes an den Kulturausschuss vom Dezember 2009 hervor. Dass das Veranstaltungsgelände maximal 250000 Menschen fasst, war zu diesem Zeitpunkt bekannt.
Dennoch hielt man an den Plänen fest. Auch der Stadtrat stimmte der Veranstaltung zu. Bedenken gab es hinsichtlich der Sicherheit nicht, wohl aber wegen der Finanzierung. Als sich private Investoren fanden, fühlten sich die Politiker aus der Verantwortung entlassen. Die Planung sei schließlich Sache der Verwaltung.
Dort herrschte aber offenbar das Motto: "Was nicht passt, wird passend gemacht." Im Streit mit den Veranstaltern um die Fluchtwege soll die Verwaltungsspitze sogar Druck auf ihre Beamten ausgeübt haben. Bis zuletzt soll das Konzept auf der Kippe gestanden haben, weil die Mängel offenbar so gravierend waren. Doch Duisburg wollte die Loveparade - um jeden Preis.
Bis zur Katastrophe wurden hohe Teilnehmerzahlen alsErfolgsmeldungen verkauft - danach rückten die Verantwortlichen weitdavon ab:
Am Samstag, 17.30 Uhr, kurz vor der Massenpanik, verkündet Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU): "Heute waren in und um Duisburg 1,4 Millionen Menschen unterwegs." Ein Polizeisprecher äußert bereits am Abend Zweifel.
Am Sonntag um 12Uhr, am Tag nach der Katastrophe, bestätigendie Verantwortlichen in der Pressekonferenz diese Zahl ausdrücklichnicht. Als einzige feststehende Zahl nennt der DuisburgerPolizeipräsident Detlef von Schmeling 105000 Raver, die in der Zeit von 9 bis 14 Uhr per Bahn nach Duisburg kamen.
Am Montag schätzt ein Polizeisprecher die Zahl der Besucher am ganzen Tag einschließlich Bahnhof und Weg zum Festplatz auf 300 000 bis 400000. Loveparade-Chef Rainer Schaller nennt am Montagabend eine Zahl von 187000 Besuchern.