Vorschlag abgelehnt Loveparade: Drei Angeklagte gegen Einstellung - Prozess geht weiter

Düsseldorf · Weil drei Angeklagte eine Fortsetzung bis zu einem Urteil wollen, wird weiter verhandelt. Sie haben auch die Verjährung im Juli 2020 im Blick.

 Uwe Mühlhoff, Jens Hartung, Christian Seiffge (von links), die Staatsanwälte im Loveparade-Prozess, stimmen einer Einstellung zu.

Uwe Mühlhoff, Jens Hartung, Christian Seiffge (von links), die Staatsanwälte im Loveparade-Prozess, stimmen einer Einstellung zu.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Nun wird er also doch fortgesetzt, der Prozess um die Loveparade-Katastrophe, bei der im Juli 2010 im Gedränge 21 Menschen zu Tode gedrückt und mehr als 650 weitere verletzt wurden. Nur sieben der zehn Angeklagten haben den Vorschlag des Landgerichts Duisburg angenommen, den seit mittlerweile 100 Verhandlungstagen andauernden Prozess einzustellen. Gegen die sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg und einen Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters Lopavent könnte das Verfahren vielleicht schon am Mittwoch eingestellt werden, weil auch die Staatsanwaltschaft einer solchen Einstellung zugestimmt hat. Die Nebenkläger, also Verletzte und Angehörige von Verstorbenen, haben dabei kein Vetorecht. Da nun aber drei Angeklagte von Lopavent diesen Weg nicht mitgehen wollen, wird gegen sie der Prozess fortgesetzt.

Warum Gericht und Ankläger das Verfahren einstellen wollen

Mitte Januar hatte der Vorsitzende Richter Mario Plein vorgeschlagen, das Verfahren gegen sieben Angeklagte ohne Geldauflage, und gegen drei Angeklagte gegen Geldauflage einzustellen. Begründung im Wesentlichen: Nach Bewertung des bisherigen Verlaufs des Verfahrens sei die individuelle Schuld der Angeklagten als gering, allenfalls als mittelschwer anzusehen. Neben Planungsfehlern, für die die Angeklagten auf der Anklagebank sitzen, sieht das Gericht ein kollektives Versagen vieler Personen am Veranstaltungstag als mitverantwortlich für das Unglück an. Es habe auch andere Schuldige gegeben, es habe sich um ein „multikausales Geschehen“ gehandelt.

Während die Staatsanwaltschaft zuvor eine Einstellung ohne Auflagen als „kaum vorstellbar“ bezeichnet hatte, erklärte sie am Dienstag, dass sie dem Einstellungsvorschlag des Gerichts in allen Fällen zustimme. „Wir haben uns die Entscheidung angesichts der schweren Folgen – 21 Tote, mehr als 650 Verletzte – und dem andauernden Leid der Angehörigen und Verletzten nicht leicht gemacht, erachten eine Einstellung im Ergebnis aber für vertretbar“, sagte eine Sprecherin. Die Staatsanwaltschaft verwies darauf, dass am 28. Juli 2020 die Verjährung eintritt. Das nach dem Gesetz für ein Urteil erforderliche Beweisprogramm könne bis dahin nicht absolviert werden. Zuletzt war von 575 Zeugen die Rede gewesen, die noch angehört werden könnten.

Eine Einstellung des Verfahrens gegen die drei Lopavent-Mitarbeiter komme ohne Auflage aber nicht in Betracht, so die Ankläger. „Ihr hypothetisches Verschulden ist bei vorläufiger Bewertung im mittleren Bereich anzusiedeln.“ Als Auflage nannte die Staatsanwaltschaft die Zahlung einer Geldauflage von jeweils etwa 10 000 Euro.

Warum drei Angeklagte den Weg nicht mitgehen wollen

Für einen der drei Angeklagten, die eine Fortsetzung wollen, sagte dessen Anwältin am Dienstag, dass ihr Mandant „nicht auf sein Recht verzichtet, freigesprochen zu werden.“ Ein anderer hatte schon vor ein paar Tagen erklärt, dass für ihn nur eine Verurteilung, ein Freispruch oder eine Einstellung wegen Verjährung in Frage komme. Er wolle sich nicht „damit abfinden, für ein „schnelles Ende“ auf die Feststellung seiner Unschuld verzichtet zu haben“, sagte sein Verteidiger.

Nach § 153 der Strafprozessordnung kann ein Strafverfahren eingestellt werden, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Darüber hinaus ist nach § 153 a eine Einstellung des Verfahrens auch dann möglich, wenn die Schuld zwar nicht als gering anzusehen ist, die Schwere der Schuld aber einer Einstellung nicht entgegensteht. Eine solche Einstellung wegen mittlerer Schuld ist dann aber nur gegen Auflage, insbesondere eine Geldzahlung, möglich.

Solche Verfahrenseinstellungen mit oder ohne Auflage gelten nicht als Vorstrafe. Dennoch bleibt an einem Angeklagten, der diesen Weg mitgeht, ein Makel hängen. Schließlich setzen solche Einstellungen voraus, dass das Gericht in seinem Einstellungsbeschluss eine geringe oder auch mittlere Schuld feststellt. Dagegen steht der Vorteil für den Angeklagten, dass er oder sie durch den Strafprozess nicht länger belastet wird.

Angeklagte riskieren Verurteilung

Die drei Angeklagten, die einer Einstellung nicht zustimmen, riskieren zwar, dass sie am Ende verurteilt werden. Jedoch hat das Gericht schon bei seinem Vorschlag zur Verfahrenseinstellung deutlich gemacht, dass so viele Ursachen für den Eintritt der Katastrophe verantwortlich waren, dass sich die Schuld der Angeklagten relativieren dürfte.

Dieser Gedanke könnte sich im Falle einer Verurteilung strafmildernd auswirken. Noch wahrscheinlicher dürfte sein, dass es für die verbliebenen Angeklagten am Ende gar keine Feststellung irgendeiner Schuld geben wird. Weil nämlich das Verfahren wegen Verjährung (s.Infobox) eingestellt wird. In einem solchen Fall wäre keine, auch keine geringe Schuld der noch verbliebenen Angeklagten, richterlich festgestellt. Den Verteidigern werden gewiss eine Menge Beweis-Anträge einfallen, um das Verfahren noch knapp eineinhalb Jahre in die Länge zu ziehen. Schließlich hat auch das Gericht bei seinem Vorschlag für eine Einstellung des Verfahrens gesagt, dass noch ein umfangreiches Beweisprogramm abzuarbeiten sei.