Loveparade: Gefangen in der Hölle der Bilder

Die Angehörigen der Opfer, aber auch viele Rettungskräfte benötigen Beistand.

Düsseldorf. Manche brechen schon zusammen, wenn sie den Namen Duisburg hören, andere mussten ihren Beruf aufgeben, viele sind in regelmäßiger therapeutischer Behandlung: Auch eineinhalb Jahre nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg sind die Wunden bei Angehörigen der 21 Toten, bei Verletzten, bei Augenzeugen und bei den Rettungskräften nicht verheilt.

Das schilderte am Mittwoch sehr eindringlich Uwe Rieske, Landespfarrer für Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Jeweils sechs Treffen haben die Seelsorger sowohl für Angehörige auf der einen und Überlebende auf der anderen Seite angeboten, berichtete Rieske. „Höhepunkt waren natürlich die Treffen rund um den Jahrestag am 24. Juli. Da gab es ganz besondere Begegnungen“, berichtete Rieske.

Zum Beispiel die zwischen einem Überlebenden und der Mutter eines Opfers. Der Überlebende berichtete der Frau von seinen Gewissensqualen: „Ich habe ihren Sohn sterben sehen.“ Die Mutter entgegnete: „Ich bin froh, dass du lebst.“ Danach gab es Gespräche, die Mutter zeigte Bilder ihres Sohnes, beide konnten ihre Gefühle zeigen.

Doch die Trauerarbeit ist schwierig. An den Treffen nehmen bis zu 15 Notfallseelsorger teil, die dabei auch an ihre Grenzen geraten. Ärzte sind zugegen, da immer mal wieder Teilnehmer von den Emotionen überwältigt werden. Mindestens 60 Personen sind nach Rieskes Schätzung schwer traumatisiert. „Aber natürlich gibt es eine Dunkelziffer“, räumte er ein.

Auch die damaligen Retter hat es hart getroffen. Der Pfarrer weiß alleine von zwölf Sanitätern, die ihren Beruf aufgegeben haben. „Viele werden immer wieder von den Szenen unkontrolliert heimgesucht“, so Rieske. Das ist das Schicksal der Helfer wie der Überlebenden — sie sind gefangen in der Hölle der Bilder.

Die Aufarbeitung wird nach Überzeugung des Pfarrers noch lange dauern: „Wir gehen derzeit davon aus, dass wir unsere Angebote noch mindestens ein Jahr aufrechterhalten. Vielleicht aber auch länger.“ Viele Traumatisierte sind zudem in therapeutischer Behandlung. Wie lange sie die benötigen, ist noch völlig offen.

Die Schuldfrage ist immer noch nicht juristisch geklärt, die Ermittlungen laufen noch. Auch das belastet die Angehörigen. „Sie verlangen, dass jemand die Verantwortung übernimmt“, berichtete Rieske. Das Engagement von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) werde sehr positiv gesehen. Das Verhalten von Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) stoße auf Unverständnis.