Bundestagswahl 2017 Debat-O-Meter: Wagenknecht überzeugt sogar AfD-Fans, Gauland und von der Leyen enttäuschen
In der "Schlussrunde" lieferten sich die Spitzen von Grünen, Linken, FDP, AfD, Union und SPD die letzte Fernseh-Debatte. 5100 Zuschauer bewerteten die Politiker live im Debat-O-Meter.
Berlin. An Motivation mangelte es ihnen nicht: Bei der "Schlussrunde" von ARD und ZDF tauschten die Spitzen von Grünen, SPD, Linken, FDP, AfD und Union am späten Donnerstagabend nicht nur Argumente aus - sondern fielen sich regelmäßig ins Wort, fuhren sich über den Mund oder versuchten, sich gegenseitig in diverse Ecken zu drängen. Es waren Momente wie jener, als die Grünen-Frontfrau Katrin Göring-Eckardt den CSU-Vertreter Joachim Herrmann mit einem semi-´schroffen "Jaja, in Bayern is' alles super" abtat - oder jener, als CDU-Vize Ursula von der Leyen ihr SPD-Pendant Manuela Schwesig fragte, wo sie eigentlich "die letzten vier Jahre gewesen" sei, die zeigten: Hier wird noch wahl-gekämpft. Auch auf den letzten Metern.
Der Fragenkatalog war der übliche Kanon, hinlänglich bekannt aus den TV-Debatten der letzten Wochen: Innere Sicherheit, Alters- und Kinderarmut, Bildungspolitik, Digitalisierung oder Klimawandel, Pflegenotstand oder Sozialabgaben. Unterm Strich gab's denn auch wenig Neues. Bemerkenswert: Die Flüchtlingspolitik blieb beinahe völlig außen vor.
Dafür waren Aggressionen gegen Angela Merkel auf Wahlkampf-Veranstaltungen im Osten Thema. Das war denn auch einer der wenigen Momente, als AfD-Mann Alexander Gauland - sonst eher ein wenig verloren - eine klare Aussage machte. Er bestritt, dass die AfD im großen Stil lautstarke Störungen organisiert habe. Es habe nur eine Merkel-Veranstaltung in Brandenburg an der Havel gegeben, zu der AfD-Anhänger geschickt worden seien, "sonst gibt es keinerlei Organisation". Die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt hatte Gauland vorgeworfen, die AfD schicke Busse mit Anhängern zu Veranstaltungen anderer Parteien. "Man brüllt sich nur noch gegenseitig nieder", sagte sie. Und die AfD verbreite "Hass und Hetze".
Die Zuschauer konnten die Kandidaten während der Debatte in Echtzeit bewerten: Im Debat-O-Meter von Uni Freiburg und Westdeutscher Zeitung war pro Sekunde eine Stimmabgabe per Smartphone möglich. Die Spannbreite reichte von - - (=sehr schlecht) bis ++ (=sehr gut). 5100 nutzen die Gelegenheit - und gaben 500.000 Einzelbewertungen ab.
Bei der Frage nach dem Debattensieger gibt es in der Nachbefragung mit Sahra Wagenknecht (27,2%) eine klare Gewinnerin. Christian Lindner landet auf Platz zwei mit 16,2%. Die Zahlen sind jedoch relativ: Jeder fünfte mag gar keinen Sieger ausmachen. Ganz am Ende liegen Alexander Gauland (AfD) sowie CDU-Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die nur 3,7 Prozent Zustimmung erhält.
Im Vorfeld wurde die politische Grundhaltung der Debat-O-Meter-Teilnehmer abgefragt, um ein differenziertes Bild zu bekommen. Untersucht man die Echtzeitbewertungen nach den Teilgruppen Unentschlossene, linkes Lager (Linke-, Grüne- und SPD-Anhänger), bürgerliches Lager (CDU-, CSU- und FDP-Anhänger) sowie AfD-Anhänger, dann schneidet von der Leyen bei den Unentschlossenen und den AfD-Anhängern am schlechtesten ab. Im linken Lager wird die Verteidigungsministerin am zweitschlechtesten bewertet - und selbst im bürgerlichen Lager landet sie hinter Lindner und Herrmann nur auf dem dritten Platz.
Bei den Unentschlossenen ziehen vor allem die Argumente aus dem Links-Mitte-Lager: Hier liegt Wagenknecht vor Göring-Eckardt. Lindner gewinnt die Bronzemedaille.
Im gesamten linken Lager liegt - eigentlich klar - Wagenknecht vor Göring-Eckardt und Schwesig. Bei den AfD-Anhängern gewinnt erwartungsgemäß Alexander Gauland - auf Platz 2 kommt jedoch Wagenknecht. "Dies überrascht auf den ersten Blick, wird aber erklärbar, weil Teile der Wählerschaft beider Parteien sich sozialstrukturell ähneln", so die Freiburger Politikwissenschaftler in ihrer Interpretation.
Abschließend wurden die Debat-O-Meter-Teilnehmer gefragt, wen die Moderatorinnen Tina Hassel (ARD) und Bettina Schausten (ZDF) ihrem Eindruck nach bevorzugt oder benachteiligt hätten. Immerhin 41,4% der Teilnehmer konnten keine Bevorzugung ausmachen. Am meisten bevorzugt wurde — so 19% der Teilnehmer — Ursula von der Leyen. Am stärksten benachteiligt - so der Eindruck von immerhin 34,1% - war in der Zuschauer-Wahrnehmung Alexander Gauland. Keine Benachteiligung eines der Politiker konnten 26,2% feststellen.