Bundestagswahl 2017 Die NRW-SPD will Taktgeber beim SPD-Neuaufbau sein
Reaktionen aus Nordrhein-Westfalen zur Wahl: Mehr Stimmen in NRW für die AfD als noch bei der Landtagswahl.
Düsseldorf. Mitten im Neuaufbau der SPD in NRW nach dem desaströsen Landtagswahl-Ergebnis im Mai will SPD-Landeschef Michael Groschek eine zusätzliche Aufgabe übernehmen: Groschek plant offenbar, die Umstrukturierung der Bundes-SPD von Nordrhein-Westfalen aus zu organisieren: Alle 111 000 Mitglieder der NRW-SPD sollen in der vergangenen Nacht eine Email von Groschek erhalten haben— mit der Aufforderung, ihre Meinung zum Ergebnis der Bundestagswahl zu sagen.
Dabei, so Groschek gegenüber der „Neuen Westfälischen“ gebe es keine Tabus. Diskutiert werden soll über den Neuanfang, über Personalfragen, über Inhalte, über den Wahlkampf. Die Antworten wolle er der SPD-Landesspitze bei der Vorstandsklausur am 30. September präsentieren. „Basis statt Basta“ nennt Groschek das seit einigen Tagen gewohnt griffig. Mitgliederbefragungen sollen künftig zur sozialdemokratischen Grundausstattung gehören, mindestens in NRW. Groischek will spürbar einen Impuls in die Bundes-SPD entsenden.
Am Sonntag bezeichnete er die Niederlage der SPD im Bund als „historisch“, es brauche eine „schonungslose Analyse und eine politische Inventur für die gesamte SPD“. Der Einzug der AfD in den Bundestag sei ein Alarmsignal für die Demokratie. „Diese Partei ist eine Schande für Deutschland.“ Der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Achim Post, sagte: „Jetzt braucht es eine starke Sozialdemokratie, die unter der Führung von Martin Schulz weiter für ihre Grundsätze streitet.“ SPD-Fraktionschef Norbert Römer sprach sich in Düsseldorf klar für eine Oppositionsrolle aus: „Wir können Opposition, das haben wir in NRW bewiesen, das nehmen wir an, auch für unsere rund 6000 Neu-Mitglieder allein in NRW.“
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat diese konsequente Absage der Sozialdemokraten an eine Regierungsbeteiligung am Sonntagabend kritisiert. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Sozialdemokraten wenigstens Gespräche geführt und ihrer Verantwortung gerecht geworden wären“, sagte Laschet. Die Bundesrepublik befinde sich in einer „ganz besonderen Lage“. Und: „Da kann man sich keine parteipolitischen Spielchen leisten. Alle müssen jetzt die wichtigen Themen in den Blick nehmen.“
Gute Stimmung herrschte bei den Grünen in Düsseldorf. „Es zeichnet sich das zweitbeste Ergebnis ab, das die Grünen jemals bei einer Bundestagswahl erreicht haben. Das zeigt: Der Einsatz für Klimaschutz, Umwelt und Gerechtigkeit ist aktueller und wichtiger denn je“, sagten am Sonntag Britta Haßelmann, Spitzenkandidatin der Grünen in NRW, und die Landesvorsitzenden Mona Neubaur und Sven Lehmann. Allerdings: „Mit der AfD kommen völkische und teils rechtsextreme Abgeordnete ins Parlament — das macht uns große Sorgen. Wir werden Hass, Hetze und Rassismus entschieden widersprechen.“
FDP-Frontmann Christian Lindner kämpfte am Abend verzweifelt um eine gute FDP-Verhandlungsposition für eine Jamaika-Koalition. Sein Landtagsmandat will Lindner „in ganz kurzer Zeit abgeben“, spätestens bevor sich der Bundestag konstituiere. Lindner verglich sich mit dem AfD-Fraktionschef im NRW-Landtag, Marcus Pretzell, der noch sein Mandat im Europäischen Parlament habe und parallel seinen Sitz im Landtag. „Da sieht man, wo der Postenschacher ist. Das sollte mal eine Altpartei machen“, sagte Lindner.
Der NRW-Spitzenkandidat der AfD, Martin Renner, sieht sich mit dem Ergebnis seiner Partei in seiner Sicht bestätigt: „Das ist ein grundstürzendes Ereignis. Die etablierten Parteien haben eben das Ohr nicht mehr am Volk“, sagte Renner am Sonntagabend und freute sich, dass die AfD auch in NRW auf rund zehn Prozent gestiegen sei (7,4 Prozent bei der Landtagswahl im Mai). Renner kündigte gegenüber unserer Zeitung an, dass sich der Petry/Pretzell-Flügel in der AfD nicht durchsetzen werde: „Das sind machtstrategische Fragen, die im Streit ausgetragen werden. Und ich glaube, dass da der Flügel obsiegen wird, für den ich stehe.“