Bundestagswahl 2017 Wissenschaftler: „Die SPD braucht jetzt eine Erneuerung“
Für Oskar F. Niedermayer ist das Ergebnis der Bundestagswahl ein Einschnitt. Die SPD brauche jetzt eine Erneuerung, sagt der Berliner Politikwissenschaftler.
Herr Niedermayer, ist der Einzug der AfD in den Bundestag ein Einschnitt?
Oskar F. Niedermayer: Ja. Seit den 1950er Jahren war keine Partei rechts von der Union im Bundestag. Das wird zwar keine Auswirkung auf die reale Politik der Bundesrepublik haben, aber auf die Art und Weise, wie man im Bundestag miteinander umgeht.
Die Partei ist klar drittstärkste Kraft geworden. Was bedeutet das?
Niedermayer: Das bedeutet zunächst einmal nur etwas Symbolisches. Wenn es eine große Koalition geben würde, wonach es jetzt ja nun nicht aussieht, wäre sie allerdings auch Oppositionsführerin und hätte bestimmte Rechte im Bundestag. Tatsächliche politische Gestaltungsmöglichkeiten hätte sie aber auch dann nicht.
Wird sich die AfD jetzt im Parteiensystem etablieren?
Niedermayer: Das ist noch sehr unsicher. Viel wird davon abhängen, wie die künftige Faktion zusammengesetzt sein wird. Es kommt darauf an, wie die drei Strömungen, also Rechtsextreme, Nationalkonservative und der gemäßigte Flügel miteinander auskommen werden. Wenn sie sich zerstreiten, kann es sogar eine Abspaltung geben.
Auch die FDP ist wieder drin. Gab es so etwas wie eine liberale Sehnsucht bei den Wählern?
Niedermayer: Die FDP hat eigentlich immer einen Platz im Parteiensystem gehabt. In den letzten vier Jahren hat sie sich sehr stark verändert durch personelle Neuerungen und andere Inhalte. Sehr geholfen haben ihr nicht nur ihre gute Wahlkampagne, sondern auch die Erfolge bei den letzten Landtagswahlen.
Martin Schulz’ Ergebnis ist hingegen ein Desaster. Braucht die SPD jetzt einen personellen Umbruch?
Niedermayer: Ja. Der Absturz der SPD nach dem kurzen Schulz-Hype ist allerdings nicht allein auf Martin Schulz zurückzuführen. Da gibt es eine ganze Reihe anderer Gründe. Aber sein Hauptfehler war, kein Regierungsamt anzunehmen. Man sieht das an Sigmar Gabriel, der als Außenminister mit seiner starken Medienpräsenz deutlich an Beliebtheit gewonnen hat. Deshalb konnte er Schulz die Schau stehlen.
Die CDU ist zwar klar stärkste Kraft, aber mit deutlichen Einbußen. Wann rechnen Sie mit einer Merkel-Debatte in der Union?
Niedermayer: Die Union hat zwar nicht ihr Traumergebnis von 2013 erreicht. Sie kann aber zufrieden sein; sie kann weiter regieren. Deswegen wird es erst dann eine Merkel-Debatte geben, wenn sich die Legislatur dem Ende entgegen neigt. Dass Merkel noch einmal antritt, ist unwahrscheinlich.
Sollte die SPD wie gestern angekündigt in die Opposition gehen?
Niedermayer: Die SPD hat das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Der Wunsch danach, sich zu erneuern, wird in der Partei groß sein. Die Parteiführung wäre grundsätzlich schon bereit gewesen, die große Koalition fortzusetzen. Aber das hätten sie nur durchsetzen können, wenn andere Möglichkeiten gescheitert sind.
Sie meinen Jamaika. Wer muss sich da bewegen?
Niedermayer: Frau Merkel kann sowieso mit jedem. Das Problem ist, dass Grüne, FDP und CSU zum Ende dieses Wahlkampfes sehr hohe Hürden aufgestellt haben. Über die müssen sie nun hinwegkommen.